Tim Raue: Schonungslos ehrlich!

Sternekoch Tim Raue ist einer, der Klartext redet, so auch auf der CHEFDAYS-Bühne. Und er ist erfolgreich damit, das zeigen seine Restaurantkonzepte.
Juni 9, 2016 | Text: Marion Wolf | Fotos: Monika Reiter

Tim Raue

Wenn einer dafür bekannt ist, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt, dann sicher Tim Raue – immer frei Berliner Schnauze. Das bewies er auch bei seiner CHEFDAYS-Präsentation. Was ihm gegen den Strich geht: die extreme Übervisualisierung des Essens gepaart mit Schwachsinnskommentaren. „Als würde sich Essen darüber definieren, wie es aussieht. Es ist völlig egal, es geht darum, wie es schmeckt. Essen definiert sich über den Geschmack“, setzt der Berliner Sternekoch am Ende seiner Cooking Demonstration ein Statement und lässt dem direkt Taten folgen: 500 Mal „Jakobsmuschel, Holunderblüte, grüner Thai-Pfeffer“ gingen an die Zuhörer ins Publikum – mit der Message, auf Facebook nicht sinnlos Foodfotos zu kommentieren, sondern: „Fahrt hin, esst es, bildet euch eine Meinung, nehmt etwas mit und versteht, dass Essen Geschmack ist.“

Frei Schnauze

Wenn einer dafür bekannt ist, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt, dann sicher Tim Raue – immer frei Berliner Schnauze. Das bewies er auch bei seiner CHEFDAYS-Präsentation. Was ihm gegen den Strich geht: die extreme Übervisualisierung des Essens gepaart mit Schwachsinnskommentaren. „Als würde sich Essen darüber definieren, wie es aussieht. Es ist völlig egal, es geht darum, wie es schmeckt. Essen definiert sich über den Geschmack“, setzt der Berliner Sternekoch am Ende seiner Cooking Demonstration ein Statement und lässt dem direkt Taten folgen: 500 Mal „Jakobsmuschel, Holunderblüte, grüner Thai-Pfeffer“ gingen an die Zuhörer ins Publikum – mit der Message, auf Facebook nicht sinnlos Foodfotos zu kommentieren, sondern: „Fahrt hin, esst es, bildet euch eine Meinung, nehmt etwas mit und versteht, dass Essen Geschmack ist.“

Geschichten erzählen

Den Vortrag an sich stellte Raue jedoch unter den Titel „Gerichte sollen Geschichten erzählen“. Stellvertretend dafür standen die beiden Gänge „Weißer Spargel, Waldmeister, Jalapeño“ als Bild des perfekten Frühlings, und „Spanferkel-Eisbein, Dashi, Ingwer und Senf“, eine Hommage an seine Großmutter. Grundsätzlich sei seine Küche nicht besonders saisonal orientiert, da die Produktlinie asiatisch und thailändisch geprägt ist, von wo 90 Prozent des Gemüses, Obsts und der Kräuter herkommen.

Dort kennt man keinen Winter und Sommer, sondern zwölf Monate im Jahr Verfügbarkeit der Produkte. Das gilt ausnahmslos für das Hauptrestaurant Tim Raue, da dort durchgängig asiatisch gekocht wird – mit der charakteristischen fernöstlichen Mischung des Sternekochs aus thailändischer Aromatik, kantonesischer Kochphilosophie und japanischem Purismus.

Diese extreme  Übervisualisierung des Essens geht  mir auf den Sack.
Tim Raue über geschmacklose Facebook-Kommentare

Ein Gericht wie der perfekte Frühling

„Im Endeffekt ist es das, was ich mir vorstelle, wenn ich morgens aufwache, aus dem Fenster gucke und den Frühling sehe: grün, ein wenig Sonne, die Kühle, die noch an den Fußspitzen vorbeifegt und mir dann aber klarmacht, bald ist die Jahreszeit da, die ich am meisten mag, nämlich der Sommer. Wir scheißen auf den Winter“, beschreibt Tim Raue seine persönliche Story des perfekten Frühlings, vereint im Gericht „Weißer Spargel, Waldmeister, Jalapeño“. Dafür wird der Spargel mit knackiger Textur in einem Spargelfond gekocht, der extrem gesalzen und gesüßt ist – knapp 20 Gramm Salz und Zucker auf einen Liter Sud.

Um die Textur zu erweitern, gibt es ein Spargelpüree aus den Spargelenden mit Reisessig püriert.

Für die Schärfe, typisch für jedes Tim-Raue-Gericht, sorgt ein Jalapeño-Gelee. Durch keinerlei Fett, weder Öl noch Butter, eröffnet Raue sein Menü mit dem Frühling. „Es ist kalt, es heißt dann aber trotzdem mit Wärme durch die Schärfe der Jalapeños willkommen.“ Farblich changiert die Vorspeise zwischen Weiß, mildem Grün und etwas saftigerem Grün. Die Geschichte, die dieses Gericht erzählt, sei die vom Aufbruch, wenn der ekelerregende lange Winter jedes Jahr zum Frühling und dann zum Sommer wird.

Eisbein transformiert

Sein zweites Gericht widmete Tim Raue seiner Großmutter. In einem seiner weiteren Berliner Restaurants, dem La Soupe Populaire, kocht Raue die Gerichte seiner Großmutter in einer zeitgemäßen Version. Raues Familie stammt aus Berlin, die Oma bekochte ihn mit Klassikern der Berliner Küche wie Königsberger Klopsen, Frikassee oder Eisbein. Für Berlin typisch aus der Schweinswade geschnitten, gepökelt und stundenlang gekocht.

Sehr plastisch beschreibt er die Optik: „Das sieht wirklich furchtbar aus, außen so ein wabbeliges, graues, ekliges Fett, darunter das überpökelte, rote Fleisch, meistens so ein 600-Gramm-Stück auf dem Teller mit ordentlich Erbsenpüree und dann noch ein halbes Kilo Sauerkraut hinterher.“

Tim Raue war diesjähriger Speaker bei den CHEFDAYS

Auf das absolute Minimum reduziert

Kaum vorzustellen, wie der Sternekoch daraus ein Gericht mit den Attributen „zart wie Wolken, fein, aromatisch, auch sehr feminin, hintenrum mit richtig Aroma, mit richtig Süße und Säure“ zaubern will. Dafür transformierte er das Eisbein seiner Kindheit und verwendet statt Schwein Spanferkel. Gewürzt mit Kümmel, Knoblauch und Salz, wird das vakuumierte Eisbein bei 82 Grad für sieben Stunden gedämpft, anschließend im Wok frittiert, bis die Haut knusprig ist.

Die Neuinterpretation: Ein Gericht auf das absolute Minimum reduziert, „es hat warmes, außen hauchdünn knuspriges Fleisch, das untermalt wird von dem Dashi-Gelee. Die Mischung des Senfs ist relativ hinterlistig, weil am Anfang der süße Senf vorne am Gaumen sehr prägnant ist und hinten dann die wirkliche Schärfe nachgefahren kommt, die das Fleisch zerschneidet.“ Eigentlich für das La Soupe Populaire entwickelt, gefiel Tim Raue das Gericht so gut, dass er es in die Karte seines Hauptrestaurants aufnahm.

Und übrigens: auch das umkämpfteste Gericht. „Es ist oft so, dass die Gäste die zwei unterschiedlichen Menüs essen, dann kommt eine Hälfte des Spanferkels in die Küche zurück. Das ist dann jedes Mal der unglaubliche Kampf zwischen Service und Köchen, wer das Stück essen kann.“ Das Prinzip Geschichte und Erinnerung funktioniert und ist nicht nur eine hohle Phrase – beim Gast und beim Team.

Das Rezept zu Tim Raues neuer Interpretation des Eisbeins gibt es HIER.
www.tim-raue.com

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