Babynahrung

Stubenküken, Milchlamm und Co. – so klein und schon ein Leckerbissen: Warum die umstrittene Delikatesse in der Spitzen-Cuisine so begehrt ist.
September 1, 2016 | Text: Daniela Almer | Fotos: Shutterstock

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Kleiner Leckerbissen mit besonderem Stellenwert

Niedlich schauen sie aus. Und wecken sofort den Beschützerinstinkt. Egal ob es sich um Milchlamm oder -kalb, Stubenküken oder Jungtaube handelt, sie tragen den Heiligenschein der Untouchables.
Aber trotz ihres unschuldigen Erscheinungsbildes setzt bei vielen, die bereits in den Genuss gekommen sind, der Sofort-essen-wollen-Reflex schon beim Klang ihres Namens ein. Jungtiere gelten nämlich als Delikatesse, die ihresgleichen sucht. Dabei sind diese kulinarischen Gelüste nicht selten Gegenstand heftiger Debatten.
Das Outing „Ich esse gerne Babytiere“ zählt nämlich nicht unbedingt zu den Eisbrechern beim Smalltalk auf Partys. Oftmals erntet man ob dieses Geständnisses verachtende Blicke, im schlimmsten Fall fühlt man sich, als hätte man Hannibal Lecter auf der Stirn eintätowiert. Das Thema polarisiert, keine Frage.
Fakt ist, dass jeder einzelne Konsument dazu unterschiedliche moralisch-ethische Standpunkte vertritt, inklusive Extrempositionen, die frei Haus mitgeliefert werden.
Die Jungtiere werden ja nicht gleich nach der Geburt geschlachtet.
Andreas Döllerer räumt mit falschen Gerüchten auf
Ein sensibles Thema, wie auch Spitzenkoch Andreas Döllerer vom Genießerrestaurant in Golling findet. „Man muss hier sehr aufpassen, um nicht falsche Eindrücke zu erwecken. Wie lange gilt ein Jungtier überhaupt als Baby? Die Tiere werden ja nicht gleich nach der Geburt geschlachtet. Sie müssen wachsen und an Gewicht zulegen, dann erst werden sie überhaupt für die Küche interessant“, stellt er klar.
Außerdem werden in der Spitzengastronomie vorzugsweise Jungtiere verwertet, die aus ausgesuchten Betrieben stammen. Denn die Herkunft und die Aufzucht der Tiere sind nun mal das Um und Auf.
Das hat neben der großen Verantwortung gegenüber dem Produkt auch einen profanen Grund: Man schmeckt den Unterschied.

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Kleiner Leckerbissen mit besonderem Stellenwert

Niedlich schauen sie aus. Und wecken sofort den Beschützerinstinkt. Egal ob es sich um Milchlamm oder -kalb, Stubenküken oder Jungtaube handelt, sie tragen den Heiligenschein der Untouchables.
Aber trotz ihres unschuldigen Erscheinungsbildes setzt bei vielen, die bereits in den Genuss gekommen sind, der Sofort-essen-wollen-Reflex schon beim Klang ihres Namens ein. Jungtiere gelten nämlich als Delikatesse, die ihresgleichen sucht. Dabei sind diese kulinarischen Gelüste nicht selten Gegenstand heftiger Debatten.
Das Outing „Ich esse gerne Babytiere“ zählt nämlich nicht unbedingt zu den Eisbrechern beim Smalltalk auf Partys. Oftmals erntet man ob dieses Geständnisses verachtende Blicke, im schlimmsten Fall fühlt man sich, als hätte man Hannibal Lecter auf der Stirn eintätowiert. Das Thema polarisiert, keine Frage.
Fakt ist, dass jeder einzelne Konsument dazu unterschiedliche moralisch-ethische Standpunkte vertritt, inklusive Extrempositionen, die frei Haus mitgeliefert werden.
Die Jungtiere werden ja nicht gleich nach der Geburt geschlachtet.
Andreas Döllerer räumt mit falschen Gerüchten auf
Ein sensibles Thema, wie auch Spitzenkoch Andreas Döllerer vom Genießerrestaurant in Golling findet. „Man muss hier sehr aufpassen, um nicht falsche Eindrücke zu erwecken. Wie lange gilt ein Jungtier überhaupt als Baby? Die Tiere werden ja nicht gleich nach der Geburt geschlachtet. Sie müssen wachsen und an Gewicht zulegen, dann erst werden sie überhaupt für die Küche interessant“, stellt er klar.
Außerdem werden in der Spitzengastronomie vorzugsweise Jungtiere verwertet, die aus ausgesuchten Betrieben stammen. Denn die Herkunft und die Aufzucht der Tiere sind nun mal das Um und Auf.
Das hat neben der großen Verantwortung gegenüber dem Produkt auch einen profanen Grund: Man schmeckt den Unterschied. Dabei ist es egal, ob es sich um Alt- oder Jungtiere handelt, werden sie nicht artgerecht gehalten – sprich, haben sie nicht genügend Licht und Luft, natürliches Futter und ausreichend Platz – und unter Stress geschlachtet, schlägt sich das auch im Geschmack nieder.
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Juvenile Vierbeiner und ihre geflügelte Konkurrenz

Aber wie werden Jungtiere klassifiziert? Und wann werden sie für ihren Einsatz in der Spitzenküche interessant? Überspitzt formuliert, fällt in die Kategorie Jungtier alles, was noch vom Muttertier gesäugt beziehungsweise versorgt wird.
So bekommen zum Beispiel neugeborene Lämmer bis zur zwölften Lebenswoche vom Mutterschaf Milch und werden dadurch als Milchlamm qualifiziert.
Das Milchkalb, das zwischen den ersten drei bis vier Lebensmonaten als solches bezeichnet wird, sollte neben der Muttermilch zusätzlich mit etwas Stroh oder sehr kargem Heu gefüttert werden, da reine Flüssignahrung für den Wiederkäuer-Magen nicht bekömmlich ist.
Der Zeitpunkt, zu dem die jungen Tiere geschlachtet werden, kann von Betrieb zu Betrieb variieren.
Bei der Salzburger Tauernlamm-Genossenschaft werden Milchlämmer erst nach der zehnten bis zwölften Lebenswoche geschlachtet, erzählt Paul Wimberger, der bei Tauernlamm für den Einkauf und Vertrieb zuständig ist, denn „davor würde es wenig Sinn machen, da die Fleischausbeute zu gering ist“. In dieser Zeit ist das Milchlamm lebend rund 20 Kilogramm schwer und bringt nach der Schlachtung neun bis zehn Kilogramm auf die Waage.
Ähnliches gilt auch für das Milchkalb: Optimal ist seine Schlachtung im Alter von drei Monaten, da zu diesem Zeitpunkt die Fleischfarbe noch sehr hell ist und die Muskulatur und das Volumen schon ausgereift sind. Bei entsprechender Aufzucht wiegen sie zu diesem Zeitpunkt bereits gute 140 Kilogramm.
Besonders begehrt sind laut Wimberger bei Gastronomen neben den Schultern der Rücken der Jungtiere, auch Schlögelteile fallen in die Most-wanted-Kategorie, denn wenn man sie ausgelöst, zugeputzt und zugeschnitten hat, sind sie ein wunderbarer Ersatz für den Rücken und eignen sich perfekt für Schmorfleisch, Gulasch oder Ragout.
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Bei der gefiederten Fraktion der Jungtiere geben in der gehobenen Gastronomie-Küche Stubenküken und seit wenigen Jahren Jungtauben den Ton an.
Als Stubenküken werden junge, noch nicht geschlechtsreife Hühner bezeichnet, die nicht älter als 28 Tage alt sind und ein Gewicht zwischen 350 und 550 Gramm – gemessen ohne Kopf, Innereien und Stände – aufweisen. Die aus Norddeutschland kommende Delikatesse verdankt ihren flauschig klingenden Namen dem Umstand, dass Küken, deren Geschlechtsbestimmung sich nicht sofort eruieren ließ, in der Wohnstube durchgefüttert wurden.
Wenn nach wenigen Wochen das Geschlecht zweifelsfrei bestimmt werden konnte, wurden die männlichen Tiere geschlachtet und die weiblichen als Legehennen aufgezogen. Stubenküken werden bevorzugt im ganzen Stück zum Braten, Backen und Grillen verwendet, gefüllte Stubenküken gelten als besondere Delikatesse.
In den letzten Jahren wurde das Stubenküken aber von der Jungtaube überflügelt, die ein kulinarisches Comeback der Superlative feiert. In früheren Jahrhunderten galten Tauben als billige und leicht bekömmliche Nahrungsmittel, heute zählen sie zur Spezialität in den Top-Restaurants der Welt.
International sind vor allem China und die USA Spitzenreiter bei der Züchtung von Taubennutzrassen, in Österreich und Deutschland hat sich bislang ein professioneller Taubenzüchter als Lieferant der Spitzengastronomie hervorgetan: Gerhard Methlagl aus dem burgenländischen Tschantschendorf. Heinz Reitbauer vom Steirereck in Wien zählt ebenso zu seinen Kunden wie Richard Rauch vom Steira Wirt in Trautmannsdorf oder Johannes King vom Söl’ring Hof auf Sylt.
Vor allem das Brustfilet der Jungtauben findet reißenden Absatz. Schlachtreif und ausgefiedert sind Jungtauben mit Beginn der vierten bis maximal achten oder neunten Lebenswoche. Wenn sie nach der vierten Lebenswoche flügge werden, haben sie auch das höchste Gewicht von 500 bis 600 Gramm.
Zuchttauben sind ihrer Natur nach Körnerfresser, zusätzlich zu Weizen und Mais füttert Methlagl sie mit Ackerbohnen und Erbsen.

Genuss-Prädikat: besonders wertvoll

Dass Jungtiere als einzigartige Delikatesse in der Gastronomie gelten, liegt vor allem an ihrem sehr hellen, zarten und feinfaserigen Fleisch, da sind sich alle Top-Köche einig.
Laut Reitbauer jun. ist der Vorteil des Jungtier-Fleisches aber gleichzeitig auch sein Nachteil. Da der Geschmacksträger Fett noch nicht sehr ausgereift ist, ist naturgemäß der Geschmack noch nicht besonders ausgeprägt. Dafür eignet sich das Fleisch von Jungtieren im Vergleich zu älteren Tieren neben dem Braten auch für kürzere und schonendere Garmethoden wie beispielsweise zum Dämpfen.
Im Steirereck sind Milchkälber, Stubenküken, Reh- und Ziegenkitze sowie Tauben von der Speisekarte nicht mehr wegzudenken. Trotz der enormen Beliebtheit des buttrig-zarten Fleischgenusses von Jungtieren sieht Reitbauer diese kulinarische Vorliebe der Gäste kritisch: „Wir sind der Meinung, dass die Menschen wieder mal beißen müssen und sich nicht alles auf der Zunge zergehen lassen. Aber damit hat das Gros der Gäste Probleme, wenn es zweimal auf etwas draufbeißen muss. Da kommen Jungtiere natürlich der Gastronomie entgegen. Die Gefahr, dass hier ein Stück dabei ist, das fester oder härter ist, ist wesentlich geringer als bei einem ausgereiften Tier.“
Das Gros der Gaste hat Probleme, wenn es zweimal auf etwas draufbeißen muss.
Heinz Reitbauer jun. sieht die Vorliebe der Gäste für sehr zartes Fleisch kritisch
Auch bei Spitzenkoch Andreas Döllerer zählen Milchkälber und -lämmer sowie Ziegenkitze, die er von der Tauernlamm-Genossenschaft bezieht, mit zum Besten, was er seinen Gästen kredenzen kann. Milchkalb hat bei ihm das ganze Jahr über in allen Variationen Saison, während Ziegenkitze und Milchlämmer naturgemäß zu Ostern und im Frühling in den Fokus rücken.
Warum er gerne Jungtiere verwendet, ist schnell erklärt: „Wenn ich heute einen Kalbsrücken und ein En­trecote vom Rind vergleiche, sind das für mich zwei unterschiedliche Produkte. Die Jungtiere haben eine ganz andere Struktur und ein anderes Geschmacksbild“, führt er aus. Bei Döllerer hat vor allem die Innereienkultur eine große Tradition wie das gebackene Milchkalbshirn mit Erdäpfel- Bachkressesalat.
Das vollständig ausgehöhlte und mit einer Semmelfülle mit Innereien vom Huhn gefüllte Stubenküken aus dem Holzofen zählte wiederum lange zum Markenzeichen von Jürgen Csencsits im mit 16 Gault-Millau-Punkten dekorierten Gasthaus Csencsits.
Aufgrund der Tatsache, dass Stubenküken in unseren Breitengraden aber keine große Tradition wie beispielsweise in Frankreich haben, war das Produkt regional nicht immer verfügbar. Nicht zuletzt deshalb widmet er sich nun einem neuen kulinarischen Steckenpferd: Tauben.
Die Jungtiere, die er von Taubenzüchter Methlagl bezieht, verwertet er nach dem Nose-to-tail-Prinzip. Zu den Klassikern im Gasthaus Csencsits zählen zartrosa gebratene Taubenbrust mit Keulen, die im eigenen Taubenfett confiert und noch mal gebraten werden.

Rezepte:

HIER geht’s lang zum Rezept Milchkalbszunge mit Semmelkren, Apfel und Sellerie von 3-Hauben-Koch Andreas Döllerer (18 Punkte im Gault Millau).
Das Rezept Herz und Leber von Nuart’s Milchlamm – Lammschmorsaft mit Jalapeños, Holunder-Latwerge, Holunderblüten und Honigwachs-Panna Cotta von Spitzenkoch Thomas Dorfer vom Landhaus Bacher findet ihr HIER.

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