Hongkong: Auch Gastronomie war im Ausnahmezustand

Die Gesetzesnovelle, die in Hongkong jüngst für Proteste sorgte, ist zurückgenommen. Heißt: Auch die Gastronomie kann aufatmen. Denn die Unruhen sorgten auch in der Branche für Aufruhr.
September 4, 2019 | Fotos: Shutterstock, Instagram

In Hongkong herrscht derzeit Ausnahmezustand. Seit Mitte Juni gehen Menschen auf die Straßen, Schüler boykottieren den Unterricht, es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizei. Der Auslöser war eine Gesetzesnovelle, die ein Auslieferungsabkommen mit China vorgesehen hatte. Seit Mittwoch können die Menschen wieder aufatmen – Regierungschefin Carrie Lam zog das Auslieferungsgesetz schlussendlich zurück.

Bloß: Was bedeuten Proteste dieser Größenordnung für die Wirtschaft? Was passiert in Gastronomie und Hotellerie, Branchen, die auch vom Tourismus leben?

Hongkong
In Hongkong sorgten Proteste gegen eine Gesetzesnovelle zuletzt für Aufruhr.

«Größere Events wurden abgesagt oder verschoben»

«Ich lebe seit 15 Jahren hier und ich habe so etwas noch nie erlebt», sagt Uwe Opocensky, ein Mann, der es wissen muss. Der deutsche Koch hat sich vor Jahren in Hongkong selbstständig gemacht. «Eigentlich gibt es gar keine Aggression hier», stellt der Gastronom immer wieder fest. Dass die Proteste so ausarten würden, damit hatte er nicht gerechnet. Er selbst glaubt, dass dafür auch viele Mitläufer die Verantwortung tragen.

«Was sich groß herausgestellt hat, war nicht der individuelle Tourismus, der fehlte, das war das Wegbleiben der Gruppen.»

Gastronom Uwe Opocensky über die Folgen der Proteste in Hongkong

Es sind Proteste, die auch der Wirtschaft schaden: Es kommt zu Störungen am Flughafen und in der Infrastruktur. In Gastronomie und Hotellerie zeigen sich die Auswirkungen an Tischen und Betten, die leer bleiben.  «Das hat sich nach dem ersten Monat so langsam herauskristallisiert», erklärt Opocensky, «am Ende war es nicht der individuelle Tourismus, der fehlte, das war das Wegbleiben der Gruppen.» Veranstaltungen von Luxus-Brands finden nicht mehr statt, weil Unternehmen die Gäste nicht einfliegen wollen. «Alle größeren Events wurden abgesagt oder verschoben», sagt der Deutsche.

Das Problem sieht er nicht nur in der aktuellen Gesetzesnovelle: «Das fundamentale Problem, das wir hier in Hongkong haben, wurde nie so richtig angesprochen. Dass Hongkong wieder zu China zurückgeht, wurde vor 22 Jahren unterschrieben. Aber mit den Menschen in Hongkong hat man nie darüber geredet, die wissen nicht, was in Zukunft passiert. Ich denke, dadurch ist die ganze Panik auch ausgebrochen.» Zur Erklärung: Hongkong gehört zwar seit 1997 wieder zu China, genießt aber weitestgehend Autonomie.

Das sollte auch bis 2047 so bleiben – aber was danach passiert, bleibt bis dato ungewiss. Eine Unwissenheit, die auch zu Auseinandersetzungen innerhalb von Familien führt. Die jüngere Generation beschuldigt beispielsweise die Eltern, mit der Situation falsch umgegangen zu sein. Für Familienbetriebe ergeben sich dadurch große Probleme.

Bis zu 50 Prozent weniger Auslastung

Die Probleme, die die Krise mit sich bringt, lassen sich auch in Zahlen fassen. «Das betrifft vor allem Unternehmen im Zentrum, wo die großen Hotels angesiedelt sind. Dort hat man im Abendgeschäft sehr viel verloren», sagt Opocensky. Von welchen Zahlen wir da sprechen? «Ich kenne nur ungefähre Angaben, die nicht bestätigt sind», lässt der deutsche Koch wissen, aber die Situation könne man sich ungefähr so vorstellen: Der August zählt in Hongkong zwar zu den ruhigeren Monaten, aber die Auslastung bei 5-Sterne-Hotels liegt in dem Monat bei etwa 60 bis 80 Prozent. In diesem Jahr sei sie allerdings bei etwa 30 Prozent geblieben. Von Fine-Dine-Restaurants hört der Gastronom, dass abends 30 bis 40 Prozent weniger Gäste kämen.

Uwe Opocensky zu Gast im Gaggenau HK

Gesetzesnovelle zurückgezogen, Besserung in Sicht

Die Situation sollte sich mit der Rücknahme der Gesetzesnovelle jedenfalls wieder bessern. «Ich hoffe, dass die gewaltsamen Auseinandersetzungen jetzt ein Ende haben», spricht Opocensky wohl vielen Hongkongern aus der Seele. Es müsse zwar noch viele Dialoge geben. Der Hauptkritikpunkt, die Gesetzesnovelle, ist aber – vorübergehend – ad acta gelegt. Bleibt zu hoffen, dass sich auch die Gastronomie schnell davon erholt. Über die Aufhebung des Gesetzes jedenfalls «freuen sich alle riesig».

HIER geht’s zu unserem CHEFDAYS-Porträt von Hongkong’s Best New Chef 2016 Agustín Balbi

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