Für immer Wild
Fotos: Werner Krug
Die zweite Haube? Die ist mir ehrlich gesagt scheißegal. Ich will lieber pünktlich Löhne ausbezahlen!“ Michael Nährer grinst mich an, huscht in die Küche und mir bleibt kurz Zeit, sein Statement sickern zu lassen. Während sich nämlich der Großteil seiner Kollegen gerne im Glanz und Glamour der Fine-Dining-Welt verliert, scheint der JUNGE WILDE 2006 äußerst relaxed am kalkhaltigen Boden des Traisentals geblieben zu sein. „Mir hat vor einiger Zeit ein Kollege vorwurfsvoll erklärt, warum man ab einem gewissen Level unbedingt Gabriel-Gläser braucht. Mit diesen Gläsern hatte er anscheinend Pech. Er musste Insolvenz anmelden, mich gibt es ohne Luxusgläser immer noch.
“ Nährer hat das geschafft, wovor viele Jungtalente heute leider allzu oft zurückschrecken: Er hat zu Hause im elterlichen Gasthof ohne räumliche Trennung zwei Welten miteinander vereint. Zum einen die Dorfgesellschaft, die am Sonntag zum Rindsbraten mit Semmelknödel und Preiselbeeren vorbeischaut. Zum anderen diejenigen, die wegen Michael Nährers großartigen Gerichten von weit her anreisen. Der kreative Gastwirt hat nämlich gar kein Problem damit, den Stammgästen auch mal…
Fotos: Werner Krug
Die zweite Haube? Die ist mir ehrlich gesagt scheißegal. Ich will lieber pünktlich Löhne ausbezahlen!“ Michael Nährer grinst mich an, huscht in die Küche und mir bleibt kurz Zeit, sein Statement sickern zu lassen. Während sich nämlich der Großteil seiner Kollegen gerne im Glanz und Glamour der Fine-Dining-Welt verliert, scheint der JUNGE WILDE 2006 äußerst relaxed am kalkhaltigen Boden des Traisentals geblieben zu sein. „Mir hat vor einiger Zeit ein Kollege vorwurfsvoll erklärt, warum man ab einem gewissen Level unbedingt Gabriel-Gläser braucht. Mit diesen Gläsern hatte er anscheinend Pech. Er musste Insolvenz anmelden, mich gibt es ohne Luxusgläser immer noch.
“ Nährer hat das geschafft, wovor viele Jungtalente heute leider allzu oft zurückschrecken: Er hat zu Hause im elterlichen Gasthof ohne räumliche Trennung zwei Welten miteinander vereint. Zum einen die Dorfgesellschaft, die am Sonntag zum Rindsbraten mit Semmelknödel und Preiselbeeren vorbeischaut. Zum anderen diejenigen, die wegen Michael Nährers großartigen Gerichten von weit her anreisen. Der kreative Gastwirt hat nämlich gar kein Problem damit, den Stammgästen auch mal ein Fleischbrot aufzuwarten, ein Gulasch oder auch Würstel mit Saft. Dass Gourmetfreunde aber vor allem wegen seines herrlichen Kalbsbeuschels mit feiner Rieslingsäure oder auch Lamm in verschiedensten Variationen aus allen Ecken des Landes anreisen, freut ihn umso mehr! Dass diese Fertigkeiten jedoch nicht von ungefähr kommen, demonstriert seine beachtliche Vita.
Er lernte bei Christian Petz und Walter Eselböck, war Sous Chef bei Thomas Dorfer und Lisl Wagner-Bacher und konnte sich durch seinen Sieg bei den JUNGEN WILDEN den letzten Schliff von Ferran Adrià abholen. „Nach diesem tollen Erfolg war die Nachfrage nach meiner Person natürlich groß. Ich wurde sogar Koch im ORF und bin dort vor allem wegen meiner Molekularküchenerfahrung engagiert worden.“ Dass er sich dann jedoch 2007 entschied, ins heimatliche Kapelln zurückzukehren und den elterlichen Gasthof zu übernehmen, war für ihn niemals ein Rückschritt.
Ich will viel lieber pünktlich Löhne ausbezahlen!
Es war aber definitiv eine Herausforderung, mit viel Feingefühl die Karte umzustellen. Denn kochte seine Mutter eben noch die traditionellen Klassiker, wollte Nährer auch seine kreativen Ideen kulinarisch einfließen lassen. „Ich habe mich dabei aber nicht zu sehr stressen lassen und die Gerichte Schritt für Schritt upgedatet. Und so sind auch unsere Hardcore-Stammgäste irgendwann mitgewachsen“, erklärt Nährer die erfolgreiche Transformation zum überregional bekannten Genusswirtshaus. „Heute ist unser Tagesgeschäft regionale Küche.
Wir bieten dabei außergewöhnliche Produkte mit einem tollen Preis-Leistungs-Verhältnis an.“ Was ich bei 35 Euro für vier Gänge plus Getränke und Kaffee nur bestätigen kann. Avantgardeküche wäre laut Nährer nicht stimmig. „Natürlich kommen hin und wieder experimentierfreudige Gäste, die mich mit einem Augenzwinkern herausfordern und nach einer Überraschung fragen. Denen serviere ich dann gerne ausgefallene Gerichte wie meinen‚ Lauwarmen Bananensplit von der Lachsforelle‘“.
Intaktes Familienunternehmen
Was mir sofort beim Blick in die Küche auffällt: Sein Team ist klein. Nährer beschäftigt zwei Lehrlinge, seine Mutter und eine Küchenhilfe. „Gibt es Aufträge für Caterings oder stehen größere Events in unseren Veranstaltungsräumlichkeiten an, kann ich die Mannschaft aber nach Belieben aufstocken“, erklärt er seine wohlkalkulierte Personalpolitik. Und wenn er selbst nicht im Betrieb ist, dann wird das Wirtshaus geschlossen. In Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass seine Mutter kocht. Dann wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es an diesen Tagen die traditionelle Wirtshausküche der Frau Mama gibt.
14 Gault-Millau-Punkte hält Nährer aktuell und wie eingangs unmissverständlich klargemacht wurde, sind seine Ziele nicht auf Gourmetführer ausgerichtet: „Ich halte es da mit Roland Trettl und koche so, wie es mir passt und unseren Gästen schmeckt, nicht, wie irgendwelche Guides oder Trends es vorzugeben glauben.“ Für die Zukunft versucht er vielmehr, die Stärken der unmittelbaren Region vermehrt in seine Gerichte einfließen zu lassen. Ob das nun das Turopolje-Schwein aus der Nachbarschaft ist oder eben der Wein aus dem Traisental: Nährer will sukzessive den Einkaufsbereich seiner Produkte auf das unmittelbare Umfeld reduzieren.
„Es gibt so viele tolle kleine Produzenten aus der nahen Umgebung, die aber kein gutes Marketing haben und daher nicht im verdienten Rampenlicht stehen“, erklärt Nährer seine Beweggründe, auch auf Raritäten wie Elsbeere, Traisentaler Karpfen oder Honig zu setzen. Auf meine Frage, ob er sich auch heute noch mit dem Gedanken der JUNGEN WILDEN identifizieren kann, gibt er unmissverständlich zu verstehen: „Ich bin zwar vielleicht nicht mehr der jüngste unter den JUNGEN WILDEN, aber der Respekt in der Branche für diesen Titel ist auch heute noch immer ungebrochen!“
Lauwarmer Bananensplit von der Lachsforelle
Hier gehts zum Rezept!