Haben Degustationsmenüs ausgedient? Der Wandel im Fine Dining
Degustationsmenüs gelten seit Jahrzehnten als Aushängeschild der gehobenen Gastronomie: kunstvoll inszenierte Teller, komplexe Mehrgänge-Kompositionen und kulinarische Dramaturgie. Doch die Fine-Dining-Welt verändert sich spürbar. Immer mehr Gäste – und zunehmend auch Küchenchefs – fragen sich, ob das klassische Degustationsmenü bzw. Tasting-Menü seinen Zenit überschritten hat und ob ein neuer Trend die Zukunft bestimmt.

Degustationsmenüs gelten seit Jahrzehnten als Aushängeschild der gehobenen Gastronomie: kunstvoll inszenierte Teller, komplexe Mehrgänge-Kompositionen und kulinarische Dramaturgie. Doch die Fine-Dining-Welt verändert sich spürbar. Immer mehr Gäste – und zunehmend auch Küchenchefs – fragen sich, ob das klassische Degustationsmenü bzw. Tasting-Menü seinen Zenit überschritten hat und ob ein neuer Trend die Zukunft bestimmt.

Was ist ein Degustationsmenü?
Ein Degustationsmenü ist eine sorgfältig kuratierte Abfolge von fünf bis zehn – manchmal sogar deutlich mehr – Gängen, die Gäste durch verschiedene Geschmackswelten führt. Jede Komponente wird so ausgewählt, dass sie ein eigenes kulinarisches Statement setzt, während das Menü als Ganzes die Handschrift des Küchenchefs wiedergibt.
Diese Form des Essens ist dabei nicht nur eine Speisenfolge, sondern eine Inszenierung: Geschmack, Textur, Temperatur, Präsentation – alles folgt einem dramaturgischen Aufbau. Das Menü zeigt, was eine Küche kann, wofür sie steht und wie sie denkt.
Bröckelt der Mythos Tasting-Menü?
Das Kernproblem der Degustationsmenüs ist klar: Tasting-Menüs funktionieren nur, wenn Gäste bereit sind, sich dem Konzept vollständig hinzugeben. Was auf dem Teller serviert wird, wissen sie zu Beginn nicht.
Immer mehr Menschen wollen das aber nicht – sie wünschen sich Flexibilität, Auswahl und Individualität.
Auch sind Allergien und Abneigungen gegen bestimmte Lebensmittel ein großes Thema. Wenn jemand etwas absolut nicht mag, sollte man sich gut überlegen, an einem Überraschungsmenü teilzunehmen.
Ein wichtiger Punkt ist außerdem Vertrauen. Köche müssen Gästen ein gutes Gefühl dabei geben, wenn sie ein ‘Risiko’ eingehen. Wenn Restaurants, in die man gerne essen geht, ein Tasting-Menü anbieten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich auf dieses einlässt, sehr hoch.
Die Rückkehr der Wahlfreiheit
Viele Restaurantbesitzer sehen einen Trend, der deutlich in Richtung Wahlfreiheit geht: Tasting-Menüs seien teilweise weniger heiß begehrt als Gänge-Menüs à la carte. Menschen wollen Auswahl.
Kein Wunder: Das Essen im Restaurant gilt bei vielen wieder als Moment der Freiheit – nicht als Prüfung der Ausdauer. Denn eines ist klar: Degustationsmenüs können überwältigend sein. Wenn aus zehn Gängen fünfzehn werden, wenn Snacks, Zwischengerichte und Überraschungen dazukommen, erlebt man schnell Überforderung.
Außerdem ist nicht von der Hand zu weisen, dass Zehn-Gänge-Menüs selbstverständlich teurer als dreigängige sind.
Der dritte Weg: Prix-fixe statt Mega-Menü
Eine spannende Entwicklung zeigt sich in London, wo viele Restaurants aus wirtschaftlichen Gründen vom À-la-carte-System auf ein kompaktes Prix-fixe-Modell gewechselt sind.
Ein festes Menü, oft vier bis acht Gänge, deutlich leichter, moderner und zugänglicher. Für Gäste sind diese abwechslungsreich, elegant, aber nicht erschöpfend. Für Restaurants ist diese Idee kalkulierbarer, mit weniger Food Waste und stabileren Einnahmen verbunden.
Haben Degustationsmenüs also ausgedient?
Nein – aber sie sind schon lange nicht mehr das Maß aller Dinge.
Casual Fine Dining hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Art Mittelweg entwickelt – hochwertige Küche, aber ohne steife Rituale. Anspruchsvolle Gerichte mit Wahlfreiheit. Besondere Erlebnisse, aber zugänglicher präsentiert.
Während klassisches Fine Dining als luxuriöses Erlebnis weiterhin seinen festen Platz behält, zeigt sich eindeutig: Beliebter und häufiger nachgefragt ist heute die entspannte, zeitgemäße Variante.
Gäste wollen Qualität – aber sie wollen ebenso Komfort, Flexibilität und Freiheit.
Deshalb verschieben sich die Verhältnisse: Lange Degustationsmenüs verlieren an Bedeutung, während modernere, lockere Formate gewinnen.
Casual Fine Dining trifft den Zeitgeist, weil es das Beste aus beiden Welten vereint – und damit die Zukunft des gehobenen Essens neu definiert.