Die Köche haben sich lächerlich gemacht!

Das ist der knallharte Tenor der Gourmetjournalisten zur Diskussion rund um den Abzug des Guide Michelin aus Österreich. Lesen Sie hier, was die Brancheninsider noch kritisieren!
November 13, 2015

Fotos: Alfons Kowatsch, Guide Michelin, Johannes Kittel
Nowak, Hacker und Holzer kritisieren den Guide Michelin

Die Wogen gingen hoch in der Gastroszene! Als ROLLING PIN exklusiv das Aus des Guide Michelin für Österreich vermeldete, formte sich schnell eine breite Front, die den internationalen Führer wieder zurückholen wollte.

ROLLING PIN unterstützte die Branche mit einer erfolgreichen Online-Petition, die an den Guide Michelin-Boss Jean-Luc Naret ging.
Das und ein Schreiben des österreichischen Wirtschaftsministers, Reinhold Mitterlehner, bewogen den Guide Michelin-Boss zum Umdenken (siehe rechts). Der Führer könnte 2011 ein Comeback in Österreich feiern. Allerdings müssten mehr Bücher verkauft werden. Laut Guide Michelin zwischen 30.000 und 40.000 Stück. Gastronomen, aber auch Politiker boten an, den Führer mit der Abnahme von einer nicht unwesentlichen Stückanzahl zu unterstützen.

ROLLING PIN lud zu diesem kritischen Thema jene ein, die sich nie ein Blatt vor den Mund nehmen: Österreichs Gourmetjournalisten und Restaurantkritiker. Diese „Elefantenrunde“ zum Thema „Kniefall vor dem Guide Michelin?“ stieg passenderweise im Tirolergarten im Wiener Tiergarten Schönbrunn ab, im Gourmetrestaurant von Sigi Kröpfl.

ROLLING PIN: Ist das Angebot, eine gewisse Stückzahl der Guide Michelin-Auflage aufkaufen zu wollen, ein „Affentheater“ oder ein ernstzunehmender Versuch, den renommierten Führer im Land zu behalten?
Florian Holzer: Fazit ist, dass sich die Köche lächerlich gemacht haben…

Fotos: Alfons Kowatsch, Guide Michelin, Johannes Kittel
Nowak, Hacker und Holzer kritisieren den Guide Michelin

Die Wogen gingen hoch in der Gastroszene! Als ROLLING PIN exklusiv das Aus des Guide Michelin für Österreich vermeldete, formte sich schnell eine breite Front, die den internationalen Führer wieder zurückholen wollte.

ROLLING PIN unterstützte die Branche mit einer erfolgreichen Online-Petition, die an den Guide Michelin-Boss Jean-Luc Naret ging.
Das und ein Schreiben des österreichischen Wirtschaftsministers, Reinhold Mitterlehner, bewogen den Guide Michelin-Boss zum Umdenken (siehe rechts). Der Führer könnte 2011 ein Comeback in Österreich feiern. Allerdings müssten mehr Bücher verkauft werden. Laut Guide Michelin zwischen 30.000 und 40.000 Stück. Gastronomen, aber auch Politiker boten an, den Führer mit der Abnahme von einer nicht unwesentlichen Stückanzahl zu unterstützen.

ROLLING PIN lud zu diesem kritischen Thema jene ein, die sich nie ein Blatt vor den Mund nehmen: Österreichs Gourmetjournalisten und Restaurantkritiker. Diese „Elefantenrunde“ zum Thema „Kniefall vor dem Guide Michelin?“ stieg passenderweise im Tirolergarten im Wiener Tiergarten Schönbrunn ab, im Gourmetrestaurant von Sigi Kröpfl.

ROLLING PIN: Ist das Angebot, eine gewisse Stückzahl der Guide Michelin-Auflage aufkaufen zu wollen, ein „Affentheater“ oder ein ernstzunehmender Versuch, den renommierten Führer im Land zu behalten?
Florian Holzer: Fazit ist, dass sich die Köche lächerlich gemacht haben mit dieser Aktion. Der Gast muss sich ja gefrotzelt vorkommen und sich denken, die kochen nicht für mich, sondern für irgendeinen Führer.
Rainer Nowak: Auch nur einen Cent an Steuergeld für den Guide Michelin zu verwenden, wäre verrückt und ein völliger Wahnsinn für Österreich. Die Krokodilsträne muss allerdings erlaubt sein. Denn natürlich ist es schade, dass wir keinen internationalen Führer mehr haben. Doch warum sollte der Guide Michelin öffentlich subventioniert werden? Als Förderung für den Tourismus? So machen wir uns endgültig lächerlich. Es ist absurd.
Herbert Hacker: Allein die Argumentation der Gastronomen ist völlig unlogisch. Eingestellt wurde das Ding ja offiziell, weil zu wenig Bücher verkauft wurden. Also kann es ja nicht viele geben, die mit dem Guide Michelin reisen, wenn kaum jemand dieses Büchlein hat. Die Begründung, dass die Gastronomen diesen Führer brauchen, um wirtschaftlich überleben zu können, passt deshalb nicht. Was bleibt, ist eine plumpe Anbiederung der Köche an den Guide Michelin.
Klaus Kamolz: Außerdem muss man auch an die Folgen denken. Wenn es so wäre, dass der Guide Michelin deshalb zurückkehrt, weil Gastronomen oder die Politik große Stückzahlen abnehmen, tut mir der betreffende Koch oder die Köchin jetzt schon leid, wenn erstmals in Österreich drei Sterne vergeben werden. Natürlich wird es dann heißen, dass das nicht nur auf die Verdienste des Koches zurückzuführen ist, sondern dass auch auch ein Dankeschön des Guide Michelin ist. Der Guide Michelin würde sich nie auf diese Optik einlassen. Für mich ist die Verhandlungsbereitschaft nur eine neue diplomatische Rückzugsstrategie. Alles andere wäre ein Image-Reifenplatzer für den wichtigsten Guide der Welt.
Holzer: Ich denke auch, dass Michelin das nie …

Rabi und Kamolz

… im Leben akzeptieren würde, wenn ein Konsortium aus Köchen in Verbindung mit der Politik eine Auflage kauft oder auch nur stützt. Damit verliert man die Unabhängigkeit, mit der sich der Guide Michelin rühmt. Die Gastronomen glauben von diesem Führer abhängig zu sein, sie glaube,n dass er international wichtig ist. Außerdem befürchten sie, dass keine günstigen und guten Arbeitskräfte mehr zu ihnen kommen, nur weil sie keine Sterne haben. Andererseits muss ein Produkt, das beim Publikum keinen Anklang findet, nicht mit aller Gewalt am Markt gehalten werden.
Kamolz: Ich verstehe zu einem gewissen Maß, dass sich die Gastronomen extrem gefrotzelt fühlen, weil es sich das Österreich-Engagement als eine nicht nachhaltige Geschichte herausgestellt hat. Viele haben ja schließlich mit La-Guiole-Besteck, neuen Gläsern und Petit-Four-Laboratorien hochgerüstet. Und von den Investitionen in der Hotellerie, dem eigentlichen Opfer der Einstellung des Guides, rede ich gar nicht.
Alexander Rabl: Man muss auch sagen, dass das Marketing von den anderen Führern hundertmal besser ist. Weil die Deppen von Michelin – und das kann man ruhig einmal protokollieren – können ja nur Reifen verkaufen. Die Guides bekommt man im normalen Verkauf ja kaum. Nicht einmal über Michelin kann man diese als Gastronom bestellen.
Nowak: Trotzdem muss eines anerkannt werden: Der Gault Millau ist nur in Österreich so wichtig, international ist er irrelevant. Die weltweite Währung ist der Guide Michelin. Doch auch mit dem besten Marketing wären sie nicht die gewünschten 40.000 Stück verkauft worden.
Holzer: Vor allem frage ich mich, wo die Empörung war, wo war der Schulterschluss, als Michelin über die Jahre konsequent hindurch absolute Fehlentscheidungen getroffen hat?

ROLLING PIN: Auch die Tatsache, dass kein einziges österreichisches Restaurant je mit drei Sternen bewertet wurde, sahen viele als Fehlentscheidung an. War Österreich nicht gut genug für drei Sterne?
Hacker: Im direkten Vergleich mit deutschen Restaurants sind wir selbstverständlich gut genug. Natürlich gibt es in Deutschland ein paar Köche, die den Österreichern überlegen sind. Es gibt aber auch welche mit drei Sternen, die sind keineswegs besser als etwa ein Eselböck oder die Obauers.
Kamolz: Was ich erschütternd fand: ein Essen bei Heinz Winkler, damals noch drei Sterne. Ich habe mich gefragt, wo denn nun das 3-Sterne-Restaurant in Österreich ist. In Relation zu den Deutschen sind wir überreif dafür, zumindest für ein oder zwei. Bei Winkler hat der Guide Michelin das mittlerweile repariert, für meinen Geschmack noch um einen Stern zu wenig.
Rabl: Leider ist vieles in der Sterneküche austauschbar. Die Deutschen kopieren zu gerne und zu oft die Franzosen.

>> Zitate

«Auch nur einen Cent an Steuergeldern für den Guide Michelin zu verwenden, wäre ein völliger Wahnsinn.»
Rainer Nowak , Restaurantkritiker für die Tageszeitung „Die Presse“ www.diepresse.at
«Wenn ich nach Deutschland blicke, hätte sich Österreich längst ein 3-Sterne-Restaurant verdient.»
Herbert Hacker, Restaurantkritiker für das Wirtschaftsmagazin „Format“ www.format.at
«Es war ein Fehler von Michelin, in Österreich keinem Betrieb drei Sterne zu geben.»
Florian Holzer, Restaurantkritiker u.a. für das Wiener Stadtmagazin „Falter“ www.falter.at
«Die Deppen von Michelin können ja nur Reifen verkaufen. Das Marketing war einfach mies.»
Alexander Rabl (will unerkannt bleiben), Gourmetjournalist bei A la Carte, www.alacarte.at
«Ich verstehe, dass sich die Gastronomen gefrotzelt fühlen, weil bei Michelin die Nachhaltigkeit fehlte.»
Klaus Kamolz, Kulinarikautor beim Nachrichtenmagazin „Profil“ www.profil.at

Hacker: Außerdem sind es eben nicht die Franzosen, die hier in Österreich testen, sondern Deutsche. Und auch wenn das jetzt eine provokante Vermutung ist, das Verhältnis zwischen Deutschen und Österreichern ist ja oft nicht ganz unproblematisch.
Holzer: Das gegen Österreich verschwörende Ausland gibt es doch nicht. Aber ich glaube, dass es strategisch grundsätzlich schlecht war, im ersten Jahr keinem Restaurant drei Sterne zu geben. Der Druck war dann schon so groß, dass Michelin gar nichts anderes übrig geblieben ist, als konsequent zu seinen Fehlentscheidungen zu stehen und die Fehlbewertungen weiter durchzuziehen. Der dritte Stern ist in Österreich ja zu einem Mysterium geworden. Man hat ja sogar Gastronomen dazu gebracht einzugestehen, dass es bei uns keinen Betrieb auf 3-Sterne-Niveau gibt.

ROLLING PIN: Wie wird sich die österreichische Gastronomie verändern, wenn der Guide Michelin weg ist?
Nowak: Natürlich wird das dem kulinarischen Ruf des Landes schaden. Junge, ehrgeizige Köche, die nicht auf Wirthäuser stehen, wird es eher ins Ausland verschlagen.
Hacker: Was soll sich großartig verändern? Die letzten drei Jahre Michelin haben in Österreich ja auch nichts verändert. Die Wichtigkeit des Gault Millau ist ungleich größer in Österreich.
Rabl: Außerdem ist es ab einem gewissen Niveau egal, wo du drinstehst. Wenn du gut bist, wirst du auch immer Gäste haben.
Holzer: Das sehe ich genauso. Qualität bleibt nicht verborgen.
Rabl: Möglicherweise bekommt sogar die Hotellerie den Wegfall stärker zu spüren. Ich reise ja sehr viel, und auf allen besseren Häusern ist dieses Michelin-Zeichen drauf und für mich dann ein klarer Hinweis, dass es sich lohnt, sich hier einmal umzusehen.
Holzer: Diese Heiligkeit, die Michelin um seine Bewertung macht, muss man etwas nüchterner sehen. Natürlich ist Michelin eine internationale Marke mit schwankendem Zuspruch in den verschiedenen Ländern. Tatsächlich gibt es aber in jedem Land immer einen besser informierten Guide als den Michelin. Selbst in Frankreich.
Kamolz: Jeder geneigte Connaisseur kann sich jede Information über gute Häuser zuverlässig aus dem Internet holen. Doch man muss schon auch einmal sagen, woher die seriösen Informationen kommen: noch immer von den Printprodukten. Die Printschiene wegzulassen, würde auch die Aktualisierungen dieser Informationen im Internet völlig zum Erliegen bringen. Weil das im Internet niemand finanziert.

Jean-Luc NaretJean-Luc Naret hält Neuauflage 2011 für möglich

JEAN-LUC NARET, Director of Michelin Guides
Der insgesamt sechste Direktor in der 107-jährigen Geschichte des Restaurantführers arbeitete bereits vor seinem Amtsantritt im Juni 2004 eng mit seinem Vorgänger Derek Brown zusammen. Davor war der Absolvent der Ecole Hôtelière de Paris in der Luxushotellerie tätig. Unter anderem wurde das Sandy Lane in Barbados unter seiner Führung zum „World‘s Best Resort“ gewählt.

Eine Aussage des Guide Michelin-Bosses Jean-Luc Naret im Interview mit ROLLING PIN (das ganze Interview finden Sie online auf www.rollingpin.eu) gibt Österreichs Gastronomen Grund zur Hoffnung: „Weil Köche und sogar Politiker angeboten haben, eine gewisse Stückzahl der Auflage vorab zu kaufen, werden wir unsere Entscheidung noch einmal überdenken und eventuell revidieren. In der Geschichte des Guide Michelin wäre das dann jedenfalls einzigartig.“
Naret bestätigt in diesem Interview auch eine Anfrage des österreichischen Multi-Gastronoms Toni Mörwald, der auch via ROLLING PIN verlautbaren ließ, zwischen 3000 und 5000 Stück der Auflage aufkaufen zu wollen. Laut Guide Michelin müssten in Österreich 30.000 bis 40.000 Exemplare vertrieben werden, um kostendeckend zu arbeiten. Offizielle Verkaufszahlen der vergangenen Jahre lässt Michelin nicht durchsickern. In der Branche schätzt man, dass es jährlich nur um die 2500 Stück waren, die tatsächlich verkauft wurden. Für 2010 gibt es im Übrigen gar keine Chance mehr auf einen Guide Michelin. „Das geht sich definitiv nicht mehr aus“, so Naret.

Christoph WagnerDie Guides werden immer unwichtiger

Christoph Wagner, Gourmetkritiker und Buchautor
Christoph Wagner galt lange als einflussreichster Restaurantkritiker in Österreich. Von 1984 bis 1994 schrieb er eine wöchentliche Kolumne in der Tageszeitung Kurier. Gleichzeitig arbeitete er von 1984 bis 1998 als Chefredakteur von Gault Millau Österreich und gründete 1989 das Gault Millau Magazin. Er schreibt für das Nachrichtenmagazin Profil und seit 2002 für News. Wagner ist Autor zahlreicher Kochbücher.

Österreichs bekanntester Gourmetkritiker, Christoph Wagner, glaubt nicht, dass der Gastronomie ein großer Schaden durch den Wegfall des Guide Michelin entstehen wird. „Sicherlich ist dieser Führer für das Renommee im Ausland wichtig und wahrscheinlich auch, um Gäste aus dem Ausland anzulocken. Der Konsument ist in den vergangenen Jahren jedoch mündig geworden und verwendet die Führer mehr als Adress- und Telefonbuch denn als Buch für Empfehlungen. Mundpropaganda und speziell Onlineplattformen sind weit wichtiger geworden. Wesentliche Umsatzeinbußen wird es für die Gastronomen nicht geben.“

Auch die zunehmenden wirtschaftlichen Verschränkungen von Gourmet-Guides mit Gastronomen hält Wagner für bedenklich. Er selbst war 14 Jahre lang Chefredakteur des Gault Millau Österreich. „Sollte man den Guide Michelin tatsächlich finanziell unterstützen, in welcher Art auch immer, wird man sich in Zukunft schwer tun zu argumentieren, warum Österreich kein 3-Sterne-Restaurant hat“, so Wagner, der generell die Vergleichbarkeit der 3-Sterne-Betriebe kritisiert. „Diese Restaurants sind international leider unglaublich austauschbar. Unverwechselbarkeit findet man da kaum.“

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