Nordisch by Nature

Jens Rittmeyer, Chef im Sternerestaurant KAI13, setzt auf nordische Küche mit skandinavischen Akzenten.
November 13, 2015

Jens Rittmeyer, Chef im Sternerestaurant KAI13Fotos: Helge O. Sommer

Beinahe hätte er wieder umgedreht, damals im Winter 2009, sagt Jens Rittmeyer. Den letzten Autozug nach Sylt gerade noch erwischt, vor ihm eine Schlaglochpiste ins Nichts, hinter ihm ein ernüchternder Versuch von Berlin. Aber dann ist er am Ende der Straße aus dem Auto gestiegen, hat die Wellen der Nordsee an die Kaimauer klatschen gehört, „und da war klar, dass ich meinen Platz gefunden habe“.
Eine kurze Ewigkeit lang starren die Nordsee und der Koch einander dann durch die riesige Glasfront des Restaurants KAI3 an, bis gezähmtes Sächsisch die Stille bricht.
„Ich vermisse die Lebensqualität an der Algarve schon“, sagt Rittmeyer. „Es ist einer der schönsten Flecken Erde überhaupt.“ Was ein bisschen nach Wehmut riecht, ist tatsächlich aufrichtig wertungsfrei. „Hörnum ist schon perfekt für mich, jetzt“, lacht er zufrieden. „Werde ich bis an mein Lebensende hier sein? Wahrscheinlich nicht. Aber fertig bin ich noch lange nicht.“

Almost nordisch by nature
Der Aufbruch des Jens Rittmeyer ins Unbekannte ist jetzt fünf Jahre her. Wenn man den gebürtigen Hallenser so beobachtet, wie er von einem Posten zum nächsten huscht – hier seinen Probelöffel in Rote-Bete-Sud versenkt, dort das Holsteiner Wagyu behutsam tätschelt –, wirkt es fast so, als wäre er nie woanders am Werk gewesen. Hier hat einer seine Bühne gefunden, der sehr viel unprätentiöser und an der Basis bodenständiger arbeitet, als die Kulisse vermuten lässt. Denn das 5-Sterne-Hotel Budersand am Hörnumer Hafen ist der elitäre Gegenentwurf zu klassischem Sylter Friesencharme. Wer Fachwerkheimeligkeit sucht, ist hier falsch. Gut 50 Millionen Euro machte die Millionärin Claudia Ebert locker, um aus einem Kasernengeländer ein 73 Hektar großes Golf- und Lifestyle-Wunderland aus dem Boden zu stampfen.
Es sieht nach Geld aus, es fühlt sich nach Geld an, und…

Jens Rittmeyer, Chef im Sternerestaurant KAI13Fotos: Helge O. Sommer

Beinahe hätte er wieder umgedreht, damals im Winter 2009, sagt Jens Rittmeyer. Den letzten Autozug nach Sylt gerade noch erwischt, vor ihm eine Schlaglochpiste ins Nichts, hinter ihm ein ernüchternder Versuch von Berlin. Aber dann ist er am Ende der Straße aus dem Auto gestiegen, hat die Wellen der Nordsee an die Kaimauer klatschen gehört, „und da war klar, dass ich meinen Platz gefunden habe“.
Eine kurze Ewigkeit lang starren die Nordsee und der Koch einander dann durch die riesige Glasfront des Restaurants KAI3 an, bis gezähmtes Sächsisch die Stille bricht.
„Ich vermisse die Lebensqualität an der Algarve schon“, sagt Rittmeyer. „Es ist einer der schönsten Flecken Erde überhaupt.“ Was ein bisschen nach Wehmut riecht, ist tatsächlich aufrichtig wertungsfrei. „Hörnum ist schon perfekt für mich, jetzt“, lacht er zufrieden. „Werde ich bis an mein Lebensende hier sein? Wahrscheinlich nicht. Aber fertig bin ich noch lange nicht.“

Almost nordisch by nature
Der Aufbruch des Jens Rittmeyer ins Unbekannte ist jetzt fünf Jahre her. Wenn man den gebürtigen Hallenser so beobachtet, wie er von einem Posten zum nächsten huscht – hier seinen Probelöffel in Rote-Bete-Sud versenkt, dort das Holsteiner Wagyu behutsam tätschelt –, wirkt es fast so, als wäre er nie woanders am Werk gewesen. Hier hat einer seine Bühne gefunden, der sehr viel unprätentiöser und an der Basis bodenständiger arbeitet, als die Kulisse vermuten lässt. Denn das 5-Sterne-Hotel Budersand am Hörnumer Hafen ist der elitäre Gegenentwurf zu klassischem Sylter Friesencharme. Wer Fachwerkheimeligkeit sucht, ist hier falsch. Gut 50 Millionen Euro machte die Millionärin Claudia Ebert locker, um aus einem Kasernengeländer ein 73 Hektar großes Golf- und Lifestyle-Wunderland aus dem Boden zu stampfen.
Es sieht nach Geld aus, es fühlt sich nach Geld an, und es ist Geld, das hier absteigt. „Aber Geld alleine macht noch kein Sternerestaurant, nicht auf Sylt und auch sonst nirgendwo“, sagt Rittmeyer. „Nur Handwerk, Disziplin und Mut.“ Sich diesen Mut leisten zu können ist mit einem finanzstarken Investor natürlich schon einfacher, ergänzt er. „Ich kann zehn- oder zwanzigtausend Euro im Monat nur für Gemüse ausgeben. Trotzdem halte ich einen Wareneinsatz von 30 Prozent. Und das Ergebnis auf dem Teller muss sowieso stimmen.“ Das tut es beim 39-jährigen Sachsen natürlich, hat er sich doch schon vor seinem Abgang nach Portugal 2002 seine Sporen bei kulinarischen Säulenheiligen wie Günter Scherrer oder Dieter Müller verdient. „Eigentlich war es ja mein Ziel, einmal bei allen Sterneköchen Deutschlands zu arbeiten“, sagt Rittmeyer über seine bewegten Wanderjahre, „aber da war immer dieses ausgeprägte Fernweh. Liegt vielleicht daran, dass ich aus der DDR komme.“
Als der Ossi mit 26 Jahren bei Dieter Koschina in dessen 2-Sterne-Tempel Vila Joya in Albufeira landete, war die DDR jedenfalls endgültig sehr weit weg – und Rittmeyer bereit für mehr. Knapp ein Jahr nach dem Wechsel zu Koschina übernahm er die Position des Küchenchefs im Restaurant São Gabriel in Almancil. „Unsere Möglichkeiten waren natürlich etwas bescheidener als in der Vila Joya“, sagt er, „aber wir haben trotzdem einen geilen Job dort gemacht.“ Die Fine-Dining-Landschaft an der Algarve sollte Rittmeyer bis 2009 entscheidend mitprägen. Dann kam Berlin. Und Rittmeyer kurz und schmerzhaft auf den Boden deutscher Tatsachen zurück.
Auf die Frage nach seinem Zwischenspiel im Restaurant Vivaldi hat Rittmeyer zwei Antworten parat. Die kurze lautet: „Boah. Ne.“ Die längere geht so: „In Portugal haben wir einfach nicht mitbekommen, wie sich diese Branche in Mitteleuropa entwickelt hat. Auf die Bürokratie-Keule war ich nicht vorbereitet.“ In Portugal habe er einfach nur gekocht, sagt er, aber in Berlin habe er erst einmal lernen müssen, was Küchenchef-Dasein hier bedeutet. Und zwar? „Andauernd in Meetings sitzen. Furchtbar.“ Der Abschied fiel nicht schwer. Berlin und Rittmeyer haben einfach nicht zusammengepasst.

Von alten Wurzeln und wahren Werten
2015 und einen Michelin-Stern im KAI3 später ist klar: Das Budersand passt sehr gut. „Anfangs hatte ich schon Sorge, dass ich es auf Sylt nicht schaffe, die Leute zu begeistern“, gesteht er. Immerhin gibt es hier reichlich Möglichkeiten, sich nicht der traditionellen Seefahrerküche auszuliefern. Aber Rittmeyer hat mittlerweile seine ganz eigene Idee von norddeutscher Küche etabliert – und die ist, wie er selbst sagt, „im weitesten und positivsten Sinn regional“. Also skandinavisch. Unverkrampft, aromenzentriert aber nicht explizit konstruiert ist Rittmeyers Nordic Cuisine, mit alteingesessenen Nebendarstellern wie Hafer- und Klettenwurzel in den Hauptrollen. Gemüse ist Rittmeyers mittlerweile auch von der Kritikergilde hochgelobte Leidenschaft. Rentiertatar und Faröer-Wildlachs haben in seiner Karte zwar einen Fixplatz, aber wer sich an sein vegetarisches Menü, wagt hat keinen Anlass, Rind & Co. zu vermissen. Mit Fichtensprossen-Gin glasierte Karotte mit Karotten-Anis-Sauce und Eisenkrautcreme oder in Salz gebackenem Sellerie mit Moosbeeren und Haselnussölsauce sei Dank. Großartigkeiten, die ultraregional gesourced schlichtweg nicht umzusetzen wären. „Einiges an Obst, Fisch, Lamm und Cider etwa beziehe ich nur aus Dänemark. Die haben da ein paar Verrückte, die wirklich tolle Produkte herstellen“, sagt Rittmeyer. So wie den zwölf Jahre alten Balsamessig, den ihm ein verrückter Däne namens Claus Meyer gerade geschickt hat. 200 Euro kostet die Halbliterflasche. „Jeden Cent wert“, schmunzelt Rittmeyer. „Mal sehen, was ich damit anstelle. Aber mir wird schon was einfallen.“
Wie gut, dass Jens Rittmeyer nicht umgedreht hat, damals im Winter 2009.  

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