Mein größter Fehler: Thomas Bühner

Warum der 3-Sterne-Koch aus dem Restaurant la vie personelle Entscheidungen und Mitleid heute strikt trennt ...
September 1, 2016 | Text: Marion Wolf | Fotos: Michael Holz Studio

Thomas Bühner

Auf direktem Weg ins Chaos

Thomas Bühner ist einer, der sich zu 100 Prozent auf sein Bauchgefühl verlassen kann – das dachte der 3-Sterne-Koch zumindest. Bis er bei einer Personalbesetzung vor fünf Jahren erkannte, dass er zu viel Mitgefühl und zu wenig Verstand walten ließ. „Ich habe mich in meiner Karriere zwei-, dreimal dabei ertappt, dass ich Entscheidungen aus Mitleid getroffen habe, die auf direktem Weg ins Chaos geführt haben“, weiß der Geschäftsführer des Restaurants la vie in Osnabrück heute, dass er aus Rücksicht auf sein Team vorsichtiger agieren muss.

Thomas Bühner

Auf direktem Weg ins Chaos

Thomas Bühner ist einer, der sich zu 100 Prozent auf sein Bauchgefühl verlassen kann – das dachte der 3-Sterne-Koch zumindest. Bis er bei einer Personalbesetzung vor fünf Jahren erkannte, dass er zu viel Mitgefühl und zu wenig Verstand walten ließ. „Ich habe mich in meiner Karriere zwei-, dreimal dabei ertappt, dass ich Entscheidungen aus Mitleid getroffen habe, die auf direktem Weg ins Chaos geführt haben“, weiß der Geschäftsführer des Restaurants la vie in Osnabrück heute, dass er aus Rücksicht auf sein Team vorsichtiger agieren muss.

Seine Rolle als Küchenchef des la vie vergleicht Thomas Bühner mit der eines Fußballtrainers, immer darauf bedacht, das Beste aus jedem einzelnen Spieler herauszuholen. Dabei schaut der Teamchef weniger auf die Fakten, die auf dem Papier stehen, wie etwa Stationen, die ein Bewerber durchlaufen hat, sondern vielmehr darauf, wie sehr derjenige für den Job brennt und welches Potenzial Bühner in ihm sieht. „Es ist mir ganz wichtig, dass ich seine Stärken fördere, mit Schwächen will ich mich gar nicht aufhalten.“ Die grundsätzlichen Voraussetzungen müssten aber dennoch stimmen. Wenn jemand aus der Frittenbude komme, schaffe der es nicht, auf Sterneniveau zu arbeiten, da ist sich Bühner sicher.

Der erste Eindruck verhieß nichts Gutes

Eine Personalentscheidung, die dem Spitzenkoch die Augen öffnete, traf er vor fünf Jahren. Eine Entscheidung aus Mitleid, wie er es nennt. Über einen Freund, der Wohnungen vermietet, lernte Bühner einen jungen Mann kennen, der in dessen Haus wohnte, aber die Miete nicht mehr zahlen konnte. „Er kam aus ganz sozial schwachen Verhältnissen und bei ihm lief alles schief. Der hatte fünfmal hintereinander ins Klo gegriffen. Ich dachte, wenn ich ihn jetzt wegschicke, kriegt der die Kurve nicht.“ Mit einer begonnenen Ausbildung und etwas Vorkenntnissen in dem Bereich wollte Bühner den jungen Mann für ein soziales Anerkennungsjahr in sein Team holen.

Doch schon der erste Eindruck verhieß nichts Gutes. „Er war dann da und hatte gar keine Kochklamotten, weil er auch kein Geld hatte. Dann haben wir ihm die Kleidung gestellt, was wir bei den anderen Mitarbeitern nicht machen. Am zweiten Tag kommt er mit den Sachen und die sehen aus wie Sau. als wenn er darin gepennt hätte“, doch diese ersten Erfahrungen lassen den Sternekoch nicht an seiner Entscheidung zweifeln.
Ich habe in meiner Karriere personelle Ent­scheidungen aus Mitleid getroffen, die auf direktem Weg ins Chaos geführt haben.
Thomas Bühner besetzt die Positionen im Restaurant la vie heute viel vorsichtiger

Als der neue Mitarbeiter nach einer Woche um drei Tage Sonderurlaub für seinen Umzug bittet, weil er sich jetzt eine neue Wohnung leisten könne, gewährt ihn Thomas Bühner, wenn auch widerwillig. „Dann kommt er wieder, kalter Schweiß auf der Stirn, ganz blass. Ich habe gleich an Drogen gedacht, muss ich ganz ehrlich sagen.“ Dessen Erklärung: Ein paar alte Kumpels wollten noch einmal mit ihm ausgehen und auf den Abschied anstoßen. Dann habe ihm jemand was ins Getränk getan. Totaler Blackout. „Nach dem Motto: Immer die anderen schuld“, der la vie-Chef ist sauer und doch zu gutmütig, um das Projekt soziales Anerkennungsjahr aufzugeben. „Hol jetzt deine Klamotten und dann fängst du halt wieder an. Wir drehen die Uhr noch mal auf null. Und dann kommt er mit rosaroten Kochklamotten runter und da merkte ich, jetzt schwimmst du den Wasserfall hoch und es geht einfach nicht“, muss sich Bühner eingestehen, dass er kläglich gescheitert ist, obwohl er fest entschlossen war, dem Jungen aus dem Teufelskreis herauszuhelfen und eine Chance zu geben.

Entscheidungen fürs Team

Ausschlaggebend für die Entscheidung waren aber nicht nur die Umstände, sondern auch die direkten Auswirkungen für das Team, wo wieder der Trainer Thomas Bühner gefragt war. Denn ein wesentlicher Faktor ist für ihn die Teamfähigkeit seiner Brigade, an der habe es besonders gefehlt. „Wir haben 14 Mitarbeiter in der Küche. Jeder ist auf den anderen angewiesen und jeder wird gebraucht. Wenn einer krank ist oder einen schlechten Tag hat, dann tragen das die anderen mit. Aber das ist natürlich ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Das müssen sie spüren.“

Seit diesen Erfahrungen ist Thomas Bühner vorsichtiger und härter in seinen Entscheidungen geworden. Sie aus dem Bauch heraus oder gar aus Mitleid zu treffen, hat sich der Sternekoch abgewöhnt. Deshalb spricht er gegenüber Mitarbeitern auch sehr ehrlich aus, wie er die Situation einschätzt, so etwa: „Du bist eine Belastung für das Team und ich glaube auch ganz fest daran, dass du nicht mithalten kannst und dass es dich am Ende nicht glücklich macht.“ Schlüsselfaktoren für Bühner sind deshalb neben dem Potenzial Entscheidungen im Sinne des Teams, des Betriebs und des Funktionierens der Küche. Deshalb sein Rat an junge Leute: „Schau genau hin, was du willst und was du brauchst. Aus einem Meerschweinchen machst du halt kein Rennpferd“, kennt Thomas Bühner seine Grenzen als Küchenchef.

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