Sonic seasoning: Warum Essen anders schmeckt, wenn wir das Richtige hören
Ein perfektes Gästeerlebnis entsteht nicht nur durch gutes Essen. Elemente wie Atmosphäre, Licht, Service und Gerüche prägen den Genuss – doch zunehmend rückt auch der Hörsinn in den Mittelpunkt. Musik und Geräusche beeinflussen den Geschmack stärker, als man denkt.
Ein perfektes Gästeerlebnis entsteht nicht nur durch gutes Essen. Elemente wie Atmosphäre, Licht, Service und Gerüche prägen den Genuss – doch zunehmend rückt auch der Hörsinn in den Mittelpunkt. Musik und Geräusche beeinflussen den Geschmack stärker, als man denkt.
Der Hörsinn als unterschätzter Genussfaktor
Sonic Seasoning bezeichnet die bewusste Kombination von Klang und Geschmack. Studien zeigen, dass Klänge Geschmacksnuancen um bis zu 15 Prozent verstärken können: Tiefe Frequenzen intensivieren Bitterkeit und Umami, hohe Frequenzen lassen Speisen süßer wirken. Musik und Sounds wird damit zu einem aktiven Teil des kulinarischen Erlebnisses – emotional wie sensorisch.
Pionierarbeit: Heston Blumenthal
Ein berühmtes Beispiel stammt aus dem Drei-Sterne-Restaurant The Fat Duck: Beim Gericht “Sound of the Sea” schmecken Meeresfrüchte in Kombination mit dem über Muschelkopfhörer abgespielten Meeresrauschen frischer und maritimer – ein Musterbeispiel für multisensorisches Fine Dining.

Die Wissenschaft dahinter: Charles Spence
Der Oxford-Professor Charles Spence gilt als führender Forscher im Bereich Sonic Seasoning. Gemeinsam mit Anne-Sylvie Crisinel zeigte er in der Studie “As bitter as a trombone”, dass hohe Töne mit süß und sauer, tiefere Frequenzen mit Umami und Bitterkeit verknüpft werden.
Blechbläser werden oft als bitter, Flöten als weich und Violinen als scharf wahrgenommen. Viele dieser Verbindungen sind kulturell oder physiologisch geprägt, einige erinnern an abgeschwächte Formen von Synästhesie.

Wie Marken Klang nutzen
Rauchiger Whiskey durch Klänge
Die Marke Black Bottle entwickelte mit Spence und Master Distiller Brendan McCarron Audiotracks, die Whiskey komplexer und intensiver schmecken lassen sollen.
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Diageos “Singleton Sensorium” zeigte bereits 2013, dass Klang, Raum und Atmosphäre das Whiskey-Erlebnis um bis zu 20 Prozent steigern können.

“Sound of Chocolate”
Felipe Carvalho und Spence komponierten zusammen Soundtracks, die Cremigkeit und Süße von Schokolade verstärken.
Grundlage ist der Bouba-Kiki-Effekt, bei dem ein weiches, rundes Objekt von den meisten Menschen mit “bouba” und spitze, gezackte Formen eher mit “kiki” assoziiert wird. Außerdem spielen klangliche Metaphern eine Rolle: Eine Flöte ist weich, eine Violine scharf. Das Projekt ist als Playlist samt Begleitmaterial erhältlich.

Käse im Supermarkt: Sainsbury’s
Die Künstlerin Caroline Hobkinson entwickelte ein QR-basiertes System, das Käseverkostungen mit passenden Klanglandschaften ergänzt. Staccato-Sounds verstärken das Knacken von Kalziumkristallen und salzige Noten, während melodische Klänge das Geschmackserlebnis weicher wirken lassen.
Blick in die Zukunft: Kann Klang Zucker ersetzen?
Spence sieht im Sonic Seasoning auch gesundheitliches Potenzial. Hohe Frequenzen lassen Kaffee süßer schmecken, tiefe Frequenzen bitterer – theoretisch könnten Lebensmittel mit weniger Zucker durch passende Klänge dennoch süß wirken.
Doch er warnt: Für belastbare Aussagen braucht es mehr Forschung – und überzogene Marketingversprechen wären riskant.
Mehr als ein Trend
Sonic Seasoning zeigt, dass Geschmack ein multisensorisches Erlebnis ist. Ob Fine Dining, Schokolade oder Fast Food – Klang wird zunehmend Teil der gastronomischen Inszenierung.
Dennoch steht die Forschung erst am Anfang und viele Mechanismen sind noch nicht vollständig verstanden.