Zwischen Hummer und Heimat: “Ich will wieder lernen, wie man daheim kocht”

Neustart im Restaurant Kraftwerk: Warum die Erinnerung an eine Krautroulade einen JRE-Spitzenkoch zum Umdenken brachte.
Dezember 1, 2025 | Text: Niko Zoltan | Fotos: privat

Das Restaurant Kraftwerk in Oberursel ist seit 18 Jahren ein Fixpunkt in der Gastronomielandschaft vor den Toren Frankfurts. Küchenchef Bertl Seebacher und seine Geschäftspartnerin Daniela Finkes bespielen die einzigartige Location mit Charme, kreativer internationaler Küche und – weil beide aus Österreich stammen – einem Hauch alpenländischem Einfluss.

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Bertl Seebacher besinnt sich auf seine kulinarischen Wurzeln

Das Restaurant Kraftwerk in Oberursel ist seit 18 Jahren ein Fixpunkt in der Gastronomielandschaft vor den Toren Frankfurts. Küchenchef Bertl Seebacher und seine Geschäftspartnerin Daniela Finkes bespielen die einzigartige Location mit Charme, kreativer internationaler Küche und – weil beide aus Österreich stammen – einem Hauch alpenländischem Einfluss.

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Bertl Seebacher besinnt sich auf seine kulinarischen Wurzeln

Das war das Erfolgsrezept – jedenfalls bis heute. Jetzt, fast zwei Jahrzehnte nach dem Start, führt Seebacher einen längst überfälligen Reboot durch: Das Kraftwerk wird österreichisch. Richtig österreichisch.

Aber nicht in der Skihütten-Variante mit Holzvertäfelung und Volksmusik – nein, auch wenn Seebacher auch nach fast zwei Jahrzehnten in Deutschland seinen Heimatakzent nicht verloren hat, in diese Schublade wollte er nie gesteckt werden. Sein Ziel ist ambitionierter: die moderne österreichische Küche neu erzählen.

Schuld ist eine Krautroulade

Wenn der Küchenchef über die Pläne für das kommende Jahr spricht, fallen Worte wie “Wiener Schnitzel”, “Krautroulade” oder “Spätzle”. Auf den ersten Blick passt das so gar nicht zum Lebenslauf des gebürtigen Steirers, der unter anderem im Tantris unter Hans Haas, im Hangar 7 oder im Marcobrunn kochte – und sich an der Seite von Thomas Kellermann ins Finale des Bocuse d’Or kochte.

Warum also ausgerechnet jetzt der Schwenk auf heimische Kost? Der Auslöser ist ein zutiefst menschlicher. “Vor zwei Jahren ist meine Mutter gestorben”, erzählt Seebacher. “Immer, wenn wir heimgekommen sind, hat sie bestimmte Sachen gekocht – Krautrouladen, gefüllte Paprika, Nudelsalat. Das war einfach daheim. Und ich hab gemerkt: Das fehlt mir. Ich will wieder lernen, wie man daheim kocht.”

Ein Satz, so schlicht wie entwaffnend. Und gleichzeitig das Manifest für einen Kurswechsel, den man selten so persönlich erlebt. Nach Jahren im Zwiespalt zwischen internationalem Fine Dining und österreichischer DNA entscheidet sich Bertl für den Ursprung.

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«Ein Wiener Schnitzel muss man nicht neu erfinden»

Sein neues Konzept ruht auf drei Säulen: Emotion, Tradition und Innvoation: “Emotion – das sind die Gerichte der Kindheit, Erinnerungen, die man schmecken kann.” Dazu wühlt Seebacher in alten Kochbüchern, trifft sich mit seiner Nachbarin im Heimatdorf zum gemeinsamen Kochen, experimentiert mit fast vergessenen Kochtechniken, wie dem Ziehen von Strudelteig.

Tradition, das sind die Klassiker, die einfach bleiben dürfen, wie sie sind: “Ein Wiener Schnitzel muss man nicht neu erfinden”, sagt Seebacher. Und Innovation? Das ist der Raum dazwischen, wo Krautflecker plötzlich mit Hummersauce flirten dürfen – frech, aber charmant, wie ein Ösi in Frankfurt. “Diese gutbürgerliche, vermeintlich einfache Küche, die will ich zelebrieren.”

Das alles soll nicht nostalgisch wirken, sondern frisch und eigenständig. Seebacher, der auch künstlerisch arbeitet und mit seinem Bruder einen kleinen Shop für österreichische T-Shirts und Wall Art betreibt, will Österreich im Kraftwerk auf eine neue Bühne stellen. Aber ohne Klischeebilder von Skitourismus.

Vielmehr geht es darum, eine authentische Geschichte zu erzählen. Und Seebachers Story hat alles: Herkunft, Haltung und Herz. Ein Koch, der nach drei Jahrzehnten auf der Überholspur kurz innehält und sagt: Ich will wissen, wie meine Mutter das gemacht hat. Und wer in der Nähe von Frankfurt künftig nach österreichischer Küche fragt, soll – so Seebachers Wunsch – nur eine Antwort hören: „Geh zum Bertl ins Kraftwerk.“

Im Januar, nach der Weihnachtspause, wird das neue Konzept starten. Die Weinkarte ist bereits fest in österreichischer Hand – dafür sorgt seit jeher Weinhändler Rico Etzensperger –, die Rezepte liegen in Notizbüchern, manche noch auf Schmierzetteln aus der Steiermark. Es ist kein radikaler Schnitt, eher eine stille Heimkehr – und vielleicht die schönste Form von Innovation: jene, die den eigenen Ursprung neu entdeckt.

kraftwerkrestaurant.de

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