Itadakimasu! Wie Anime unsere Esskultur verändert

Ob auf dem Bildschirm oder im Bowl-Shop um die Ecke: Anime-Ästhetik und japanische Küche verschmelzen zu einem Lifestyle. Zwischen Food-Porn, Popkultur und Handwerk entsteht eine neue Art, Essen zu erleben.
Oktober 22, 2025 | Text: Natalia Skreinig | Fotos: Crunchyroll.com, Studio Ghibli

Wenn in einem Anime eine dampfende Schale Ramen ins Bild rückt, die Brühe golden glitzert und der Dampf sanft über dem Tisch tanzt, dann ist das keine Nebensache: Diese Szenen sind Inszenierungen des Alltäglichen, kleine Feste des Lebens. Sie zeigen, dass Essen nicht nur Nahrungsaufnahme ist, sondern Kultur, Emotion und Identität. Und sie verändern längst, wie auch wir in Europa über Essen denken.

Von Wien bis Berlin, von Paris bis London: Asiatische Küche boomt. Doch es geht längst nicht mehr nur um Sushi oder Ramen. Es geht um Atmosphäre, Ästhetik, Erlebnis. Ein Phänomen, das stark durch Anime und Manga geprägt ist. Was einst Nische war, ist heute Mainstream, und das Auge isst dabei ganz klar mit.

Wenn in einem Anime eine dampfende Schale Ramen ins Bild rückt, die Brühe golden glitzert und der Dampf sanft über dem Tisch tanzt, dann ist das keine Nebensache: Diese Szenen sind Inszenierungen des Alltäglichen, kleine Feste des Lebens. Sie zeigen, dass Essen nicht nur Nahrungsaufnahme ist, sondern Kultur, Emotion und Identität. Und sie verändern längst, wie auch wir in Europa über Essen denken.

Von Wien bis Berlin, von Paris bis London: Asiatische Küche boomt. Doch es geht längst nicht mehr nur um Sushi oder Ramen. Es geht um Atmosphäre, Ästhetik, Erlebnis. Ein Phänomen, das stark durch Anime und Manga geprägt ist. Was einst Nische war, ist heute Mainstream, und das Auge isst dabei ganz klar mit.

Von der Anime Leinwand in die Küche

Essen war in japanischer Erzählkunst schon immer mehr als Hintergrund: Es ist Symbol und Spiegel zugleich. Niemand hat das eindrücklicher gezeigt als Studio Ghibli. In Spirited Away (Chihiros Reise ins Zauberland) etwa wird das Festmahl, das Chihiros Eltern in Schweine verwandelt, zu einer Allegorie auf Gier, Überfluss und den Verlust von Maß. In My Neighbor Totoro ist das einfache, geteilte Bento Ausdruck von Liebe, Fürsorge und Achtsamkeit. Und in From Up on Poppy Hill verbinden hausgemachte Mahlzeiten Generationen, und das Essen dient als Akt der Erinnerung.

Diese Szenen sind mehr als bloße Illustrationen. Sie machen spürbar, was Essen in der japanischen Kultur bedeutet: Respekt vor dem Produkt, Saisonalität, Ritual. In Japan spricht man von shoku bunka – der Esskultur, die nicht nur das Was, sondern auch das Wie und Warum des Essens umfasst. Genau diese Haltung schwappt nun mit jeder Streaming-Serie und jedem TikTok-Video in die westliche Welt hinüber.

Essen in Chihiros Reise ins Zauberland
In vielen Mangas und Animes ist Essen ein Hauptbestandteil der Geschichte, wie zum Beispiel in Spirited Away (Chihiros Reise ins Zauberland), ein Studio Ghibli Film aus dem Jahr 2001

Der kulturelle Appetit auf Anime Food

Während Anime und Manga jahrzehntelang als Nischeninteresse galten, sind sie heute allgegenwärtig. Netflix produziert eigene Anime-Serien, Fashion-Labels drucken Manga-Prints, und in europäischen Großstädten eröffnen Restaurants, die aussehen, als wären sie direkt aus Your Name oder Tokyo Ghoul herausgefallen.

In Wien etwa spürt man diesen Einfluss beispielsweise im Shibuya Izakaya, wo Neonlicht auf Holz trifft, Cocktails nach Manga-Figuren benannt sind und die Ramen-Schalen ebenso fotogen wie würzig dampfen. Diese Orte sind mehr als Lokale. Sie sind Erlebnisräume für eine Generation, die Popkultur, Ästhetik und Kulinarik nicht mehr trennt.

Dazu kommt die wachsende Schnittmenge mit J-Pop und K-Pop. Musikvideos, Serien und Social Media befeuern eine Ästhetik, in der Genuss immer auch visuell gedacht wird. Essen wird hier zu Content, zu Ausdruck von Identität, genauso wie Mode oder Musikgeschmack.

Warum Essen in Anime so unwiderstehlich wirkt

Der Reiz von Anime-Food liegt nicht allein in der Darstellung von Essen, sondern in seiner emotionalen Bedeutung. In japanischer Erzähltradition symbolisiert das gemeinsame Mahl Zusammenhalt, Heilung oder Neuanfang. Diese Verbindung aus Sinnlichkeit und Bedeutung erzeugt eine emotionale Aufladung, die weit über den Bildschirm hinausgeht.

In der westlichen Küche war Essen lange auch eine Form von Inszenierung, in der alles minimalistisch, clean und möglichst fotogen sein soll. Anime aber zeigt das Gegenteil: Überfluss, Textur, Farbe, Bewegung. Jeder Tropfen, jede Dampfspur wird zelebriert. Das Resultat ist eine sinnliche Erfahrung, die das Publikum buchstäblich hungrig macht.

Forscher der Journal of Ethnic Foods fanden heraus, dass ein Großteil der Anime-Zuschauer in Europa durch Serien überhaupt erst mit japanischer Küche in Berührung kommt und sie anschließend aktiv sucht. Was auf der Leinwand mit Ramen beginnt, endet im realen Izakaya.

donburi
In «Food Wars!: Shokugeki no Soma» werden Kochen und Essen zu einem sinnlichen Erlebnis – so intensiv, dass Geschmack buchstäblich unter die Haut geht.

Zwischen Authentizität und Adaption

Doch die kulturelle Übersetzung bleibt komplex. Wenn westliche Gastronomie Anime-Ästhetik aufgreift, stellt sich die Frage: Wie viel davon ist Hommage, und wie viel ist Kommerzialisierung?

Anime zeigt Essen in seiner ganzen emotionalen Tiefe, doch in Europa wird diese Tiefe oft zum dekorativen Motiv reduziert. Neonfarben, Manga-Poster und Sushi-Bowls im To-Go-Becher sind nur die glänzende Oberfläche eines viel reicheren kulturellen Erbes. Die Herausforderung liegt darin, nicht nur die Optik, sondern auch den Geist dieser Esskultur zu verstehen.

Ein Teil der Faszination liegt dabei in der Übersetzung: Europäische Köch:innen interpretieren klassische japanische Gerichte mit regionalen Zutaten, verbinden Tradition mit Kreativität, und erschaffen so eine neue kulinarische Sprache. Das ist keine Kopie, sondern ein Dialog.

Essen als Erzählung

Vielleicht ist genau das die eigentliche Lehre, die Anime uns über Essen vermittelt: dass jede Mahlzeit eine Geschichte erzählt. Über Herkunft, Erinnerung, Gemeinschaft. Über das, was uns nährt – körperlich und emotional.

Anime hat geschafft, was Marketingkampagnen oft verfehlen: Es verknüpft Genuss mit Bedeutung. Eine Schale Ramen wird zum Symbol für Freundschaft, ein Bento zum Ausdruck von Fürsorge, ein gemeinsames Essen zum Moment des Innehaltens in einer rastlosen Welt.

Und genau darin liegt seine Wirkung. In einer Zeit, in der Food-Trends kommen und gehen, erinnert uns Anime daran, dass Essen kein Trend ist, sondern eine Form von Kunst.

Werde jetzt Member.
100% kostenlos.

Als Member kannst Du alle unsere Artikel kostenlos lesen und noch vieles mehr.
Melde dich jetzt mit wenigen Klicks an.
  • Du erhältst uneingeschränkten Zugriff auf alle unsere Artikel.
  • Du kannst jede Ausgabe unseres einzigartigen Magazin als E-Paper lesen. Vollkommen kostenlos.
  • Du erhältst uneingeschränkten Zugriff auf alle unsere Videos und Masterclasses.
  • Du erhältst 50% Rabatt auf Rolling Pin.Convention Tickets.
  • Du erfährst vor allen Anderen die heißesten News aus der Gastronomie und Hotellerie.
  • Deine Rolling Pin-Membership ist vollkommen kostenlos.
Alle Vorteile
Login für bestehende Member

Top Arbeitgeber


KOSTENLOS MEMBER WERDEN
UND UNZÄHLIGE VORTEILE genießen

  • Insights aus der Gastro-Szene, ganz ohne Bullshit.
  • Personalisierte Jobvorschläge & die besten Jobs aus der ganzen Welt
  • Alle Online-Artikel lesen & Zugriff auf das Rolling Pin-Archiv
  • VIP-Einladungen zu ROLLING PIN-Events und vieles mehr…