Wie Shootingstar Evgeny Vikentev kulinarische Weltreisen macht

Der kunstaffine russische Spitzenkoch Evgeny Vikentev führte die Geschmacksnerven bei den Chefdays mit seiner genial-kreativen Küchenshow einmal um die Welt.
Juli 4, 2019 | Text: Sarah Helmanseder | Fotos: Lukas Kirchgasser, Gregor Grininger
Evgeny Vikentev hatte bei den CHEFDAYS die ehrenwerte Aufgabe, als einziger russischer Koch die Kulinarik des – bezogen auf die Fläche – größten Landes der Erde zu vertreten. Das fiel dem sympathischen Küchenchef mit der markanten Brille und dem verschmitzten Grinsen nicht weiter schwer, denn Kochen ist für ihn sowieso eine internationale Angelegenheit.
Wer sich das Signature-Video von Vikentevs Restaurant Hamlet and Jacks in St. Petersburg ansieht, merkt sofort: Da ist ein Kopfmensch am Werk, jemand, der ein Produkt bis ins Innerste ergründet, der jeder Komponente seines Tuns eine spezielle Bedeutung beimisst und seine Kreationen zu Kunstwerken macht, die eine Geschichte erzählen.
Vikentev führt in St. Petersburg das renommierte Lokal Hamlet and Jacks und die Weinbar Wine Rack. Die russische Gastroszene feiert den jungen Spitzenkoch längst als Star. Im Oktober 2018 eröffnete er nach zweijähriger Planungsphase ein weiteres Restaurant, das Cell, und zwar mitten in der neben London zweiten europäischen Kulinarik-Metropole, in Berlin-Charlottenburg.
Evgeny Vikentev hatte bei den CHEFDAYS die ehrenwerte Aufgabe, als einziger russischer Koch die Kulinarik des – bezogen auf die Fläche – größten Landes der Erde zu vertreten. Das fiel dem sympathischen Küchenchef mit der markanten Brille und dem verschmitzten Grinsen nicht weiter schwer, denn Kochen ist für ihn sowieso eine internationale Angelegenheit.
Wer sich das Signature-Video von Vikentevs Restaurant Hamlet and Jacks in St. Petersburg ansieht, merkt sofort: Da ist ein Kopfmensch am Werk, jemand, der ein Produkt bis ins Innerste ergründet, der jeder Komponente seines Tuns eine spezielle Bedeutung beimisst und seine Kreationen zu Kunstwerken macht, die eine Geschichte erzählen.
Vikentev führt in St. Petersburg das renommierte Lokal Hamlet and Jacks und die Weinbar Wine Rack. Die russische Gastroszene feiert den jungen Spitzenkoch längst als Star. Im Oktober 2018 eröffnete er nach zweijähriger Planungsphase ein weiteres Restaurant, das Cell, und zwar mitten in der neben London zweiten europäischen Kulinarik-Metropole, in Berlin-Charlottenburg.
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Evgeny Vikentev besuchte eine russische Kochschule und kochte anschließend in den renommiertesten Küchen St. Petersburgs, etwa im La Marée, im Il Palazzo, im Volna, im Grato und im EM.

Lokal-globale Küche

Vikentev will mit seiner Küche aus festgefahrenen Dogmen ausbrechen und  Kulinarik anders denken, nämlich lokal-global. „Das Konzept ist, lokale Zutaten von Bauern aus der Vorstadt mit Produkten aus aller Welt zu verbinden und ihren Geschmack dadurch hervorzuheben“, erklärt er auf der CHEFDAYS-Mainstage.
Ein einfacher Gedanke, eine unendliche Menge an Möglichkeiten. Vikentev bezieht seine Produkte von lokalen Produzenten, die er persönlich kennt, setzt seine Gerichte aber mit internationaler Ausrichtung um, indem er sie um Akzente ergänzt, die jeweils stellvertretend für eine bestimmte Weltregion oder ein Land stehen. Dementsprechend ist ein Abend bei Vikentev so vielfältig wie eine Weltreise.
Das Konzept ist, lokale Zutaten von Bauern aus der Vorstadt mit Produkten aus aller Welt zu verbinden und ihren Geschmack dadurch hervorzuheben.
Evgeny Vikentev setzt auf die Verbindung von lokalen Zutaten und globalen Akzenten
International ist der russische Ausnahmekoch auch auf der CHEFDAYS-Mainstage aufgestellt: Vikentev ist  zwar ohne Team nach Graz gekommen, aber die humorigen Küchenchefs aus dem Spoonik in Barcelona, Jaime Lieberman und Jon Giraldo, die ihre Cooking Demonstration bereits hinter sich haben, springen bereitwillig ein. So stehen gleich drei Spitzenköche auf der Mainstage und lassen zu Beginn eine Karotte auf Weltreise gehen.
„Carrot has gone through the earth“ heißt das erste Gericht, mit dem Vikentev dem CHEFDAYS-Auditorium einen Einblick in seine kreative, detailreiche Küche geben möchte. „Die Idee ist, ein Produkt mit drei verschiedenen Techniken zuzubereiten, ohne sie zu trennen“, erklärt Vikentev. „Die ganze Karotte wurde in einer Mischung aus zwei Mal reduziertem, fermentierten Karottensaft bei 72 Grad vorgekocht und emulgiert mit brauner Butter. Dann wurde sie auf drei verschiedene Arten fertig zubereitet.“ Die Spitze der Karotte wurde gemeinsam mit Erde gekocht und das Ende gemeinsam mit heißen Steinen – eine sehr bekannte und alte Technik der australischen Ureinwohner. Der mittlere Teil wird live auf der Mainstage mit dem Bunsenbrenner gebrannt. Dann verteilt Vikentev etwas Karottensaft kunstvoll auf dem Teller und platziert die Karotte millimetergenau darauf.
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Der russische Spitzenkoch Evgeny Vikentev lässt eine Karotte um die Welt reisen.

Koch und Karotte on tour

Nun wird jeder Teil der Karotte mit einer Komponente verfeinert, die für eine bestimmte Weltregion steht. Die Mitte der Karotte wird mit einer Salsa aus gebranntem Vegemite und mit Räucheröl beträufelt. Die Karottenspitze ist Australien gewidmet und erhält ein Crumble aus Vegemite, einem dort sehr beliebten Brotaufstrich aus konzentriertem Hefeextrakt. In den, wie Vikentev sagt, „deutschen Teil der Karotte“ steckt er einen Bier-Cracker aus zwei Mal reduziertem dunklem Bier, Tapiokamehl und Reismehl. Die Masse wurde auf eine Silikonmatte gestrichen und dehydriert, dann bei 200 Grad frittiert. „Die Deutschen können keinen Tag ohne ein Glas Bier leben“, stellt Vikentev lachend fest.
Vikentev weiß heute noch genau, wann er mit dem Kochen angefangen hat: bereits mit fünf Jahren. Damals bereitete er seine ersten Blinis zu, inspiriert von seinen Eltern, die zwar selbst nie in der Gastronomie beschäftigt waren, als passionierte Foodies aber zu Hause die Liebe zum guten Essen und zum Kochen zelebrierten und den Sohn damit ansteckten. Dieser wollte Koch werden und besuchte nach der regulären Schule eine vierjährige Kochschule.
Die Deutschen können keinen Tag ohne ein Glas Bier leben.
Evgeny Vikentev hat in Berlin so manches erlebt
Mit dem Ende der Sowjetunion wurde es gastronomisch spannend in Russland. Spitzenköche aus Frankreich, Italien und Spanien trudelten ein, eröffneten ihre Restaurants und suchten Personal. Vikentev, noch keine 20 Jahre alt, witterte seine Chance. In den folgenden Jahren kochte er sich durch St. Petersburg und die Welt. Ein kleiner Auszug aus seinen Stationen: La Marée, Il Palazzo, Volna Grato und EM – alle in St. Petersburg –, das Restaurant 41°C von Albert Adrià in Barcelona und das Il Vescovado von Giuseppe Richebuono in Italien. Mit 24 Jahren kehrte Vikentev nach St. Petersburg zurück, wurde Mitgründer des Hamlet and Jacks und Shootingstar der modernen russischen Küche .

More than honey

Bei Vikentevs zweitem Gericht stehen Bienen im Zentrum. Die Befürchtung, er könnte in seinem kleinen Bienenkorb ein paar Exemplare mitgebracht haben, erweist sich allerdings als unbegründet. Vielmehr geht es um Honig, aber eben nicht nur:„Die Zutaten umfassen den ganzen Lebenszyklus von Bienen. Es ist das ganze Honig- und Bienenökosystem auf einem Teller“, sagt er. Deshalb heißt das Gericht: „More than honey“.
Als Erstes greift Vikentev zu einem traditionell hergestellten Honig-Crumble, das er in einem Dessertring drapiert. Er streut mit einem Sieb Pollen rund um den Ring und verteilt Met-Gelee auf dem Crumble. Anschließend richtet er ein Stück Bienenwabe, Joghurt und Eis aus der bitteren Haut von Zitronen und gebranntem Honig auf dem Crumble an und  würzt den Joghurt mit Szechuanpfeffer: „Das fühlt sich im Mund an, als würde man von einer Biene gestochen.“
Dieser Satz sagt viel aus über die Küchenlinie des kreativen Russen: Er möchte das Produkt erlebbar machen, und zwar in allen Dimensionen – sensorisch, narrativ und optisch. Die Teller in seinem Restaurant, die er persönlich gestaltet und die extra produziert werden, verwendet er wie der Maler seine Leinwände, auf denen Kunstwerke entstehen.
Das fühlt sich im Mund an, als würde man von einer Biene gestochen.
Der russische Spitzenkoch Evgeny Vikentev bringt den gesamten Lebenszyklus von Bienen auf den Teller.
Am Ende zeigt sich, dass Vikentev das mit dem ganzen Lebenszyklus durchaus wörtlich gemeint hat. Er stülpt den kleinen Bienenkorb über den Dessertring, zückt den Bunsenbrenner und räuchert den Inhalt des Korbes, „so wie man Bienen aus ihren Stöcken vertreibt“. Staunen im Auditorium – da hat Vikentev einen Überraschungscoup gelandet.
Dass es Vikentev von den vielen Orten der Welt, die er schon bereist hat, letztlich am meisten nach Berlin zog, liegt an der pulsierenden Multikulti- und der vitalen Kunstszene, die perfekt zu seiner Küche nach dem Motto „Think global, act local“ passt. Und er hat der Stadt auch bereits ein Gericht gewidmet, das er auf den CHEFDAYS als dritten Gang präsentiert: „The most Berlinian Dish.“ „Ich möchte die vier großen Communitys in Berlin kombinieren und auf einem Teller präsentieren: die russische, die deutsche, die türkische und die vietnamesische“, erklärt er das Prinzip seiner Kreation.
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The Most Berlinian Dish: Glacierte Rinderzunge | Malt-Sauce | Marinierte Kohlrabistreifen | Türkischer Joghurt 

Whiskey meets Rinderzunge

Für sein Heimatland steht in diesem Gericht eine Malt-Sauce. Whiskey wird in Russland als Basis für Kvass verwendet, ein traditionelles Getränk aus fermentiertem Brot. Für die Sauce wird der Malt drei Mal reduziert und mit Butter und ein bisschen Brot-Miso vermischt. „Die Box mit dem Kohlrabi ist auf dem Flug zerbrochen, und jetzt riecht mein Koffer nach Kohlrabi“, erzählt Vikentev, aber was soll’s. Hauptsache, der Berliner Kohlrabi hat es unbeschadet auf die Bühne geschafft, repräsentiert er hier doch Deutschland.
Die Kohlrabistreifen werden in Kohlrabisaft mit Salz und Zucker mariniert. Dazu gibt es ein Pulver aus bei 40 Grad dehydrierten Kohlrabi-
blättern. Die vietnamesische Community steuert ein ordentliches Kaliber von Rinderzunge bei. Die wird in Scheiben geschnitten, gegrillt und mit einer Glasur aus Rinderfond mit vietnamesischen Gewürzen wie Ingwer, Limette und Chili bestrichen. Last, but not least kommt ein Hauch von Bosporus dazu: türkischer Joghurt infused mit Petersilie und Minze.
St. Petersburg kann sich glücklich schätzen, einen Virtuosen der modernen Küche als gastronomisches Aushängeschild zu haben, und die CHEFDAYS-Besucher schätzten sich glücklich, von ihm inspiriert worden zu sein.
www.hamletandjacks.com Hier geht’s zum Rezept für Vikentevs Hommage an Berlin: The Most Berlinian Dish!

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