ROLLING PIN-Selbsttest: Metzger

Kettenhemd, Sägen, Knochen, Messer und natürlich rohes Fleisch: ROLLING PIN-Chefredakteur Bernhard Leitner erfüllt sich seinen Lebenstraum und startet als Metzger-Lehrling durch – oder stürzt ab.
Februar 15, 2019 | Fotos: Sebastian Lackner

Plötzlich Metzger

Was für viele wie der fleischgewordene Albtraum klingt, ist für mich ein Stück weit die Erfüllung meiner innersten Sehnsüchte. Na gut, ein Lottosechser oder der eigene Fußballklub wären auch nicht schlecht, aber man kann eben nicht immer alles haben. Weil ich also kleinere Brötchen oder besser gesagt: Klößchen backen muss, heuere ich bei einem der renommiertesten Fleischhauer der Alpenrepublik als Metzger-Lehrling an: bei Fleischguru Josef Mosshammer aus der Fleischerei Mosshammer in Graz. Museumsreif hängen hier Schweine und Rinder in Top-Qualität zum Reifen ab – und natürlich auch zum Zerlegen.

Der Schlächter von Graz

Beinahe wie einem mittelalterlichen Ritter, der in die Schlacht zieht, wird mir der weiße, lederne Metzger-Kittel samt Kettenhemd und -handschuhen angelegt und zu guter Letzt natürlich noch die Krone … ähm … Mütze aufs Haupt gesetzt. Und endlich geht’s ans Eingemachte. Wer dachte, dass Metzger brachiale Schlächter ohne Feingefühl sind, täuscht sich gewaltig. Mit der Präzision eines Herzchirurgen und der Ruhe eines buddhistischen Mönchs zeigt der Metzger-Meister Mosshammer vor, wie man millimetergenau das halbe Schwein in Schlögel, Schulter, Rücken und Bauch zerlegt. Nach seinem kurzen anatomischen Schweine-Crashkurs drückt mir Mosshammer zu meiner Freude das Messer in die Hand. Den Kopf vom Rumpf zu trennen, fällt noch unter die Rubrik „easy“. Allerdings gelingt es mir dabei trotzdem, die Bäckchen zu zerfransen und das beliebte Edelstück zu verletzen.
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Wer denkt, Metzger wären brachiale Schlächter ohne Feingefühl, hat keine Ahnung!
Mosshammer nimmt’s mit Humor. Danach wird das hintere Karree oder Rippenstück von der Schulter getrennt – mit der Säge! Mein absolutes Lieblingswerkzeug! Für die allseits beliebten Ripperl gibt es zwei Möglichkeiten. Saint Louis Style oder Baby Backs. Wir entscheiden uns natürlich für die wesentlich ergiebigeren Rib Tips, für die, wie der Name schon sagt, der Knorpelteil des Schweinebauchs dranbleibt. Mosshammers Cut sieht aus, als hätte mein heiß geliebter Mathelehrer aus Schulzeiten mit Lineal und Taschenrechner die genauen Schnitte berechnet – bei mir sieht das Ganze eher aus, als hätte man das Stück mit einer Bazooka aus dem armen Schwein geschossen.

Der Boston Butt

Damit es aber nicht zu einfach wird, soll ich als demütigende Draufgabe noch einen Wettbewerbscut zustande bringen – den sogenannten Boston Butt. Dabei wird der Nacken inklusive Schulter zurechtgestutzt. Wenn alles gelingt, könnte man aus diesem Stück das perfekte Pulled Pork zupfen. Leider ist das Gegenteil der Fall … Ein desaströses Unterfangen, das damit endet, dass der sonst so geduldige Metzger-Meister sanft mein Messer an sich nimmt, damit nicht auch dieses geile Stück zu meinem riesigen Haufen an Verschnitt hinzukommt. Zu meiner Verteidigung: Zumindest die Schwarte zu entfernen, ist mir gelungen. Das Fazit meines durchwachsenen Metzger-Schnuppertags? Jeder andere Fleischhauer hätte mich wahrscheinlich nach zehn Minuten hochkant aus seinem Laden geworfen, mich als Veganer beschimpft und mir lebenslanges Hausverbot erteilt. Darum an dieser Stelle noch mal vielen Dank an den Mann mit der unfassbaren Engelsgeduld: Josef Mosshammer. Es war mir eine Ehre.

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