Kommt raus spielen, Jungs

31 Tage, 16 Gänge und die einzige Chance des Jahres allen zu beweisen, wer eigentlich die Fäden in der Hand hält. Und das ist für Martin Klein und sein Team in diesem Fall essenziell.
November 13, 2015

 Martin Klein und sein Team

Fotos: Shutterstock, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7, Courtesy of Matthew Lightner / Restaurant Atera

Die Schizophrenie nach Plan beginnt präzise am jeweils Ersten des Monats um 19 Uhr. Neues Konzept, neue Produkte, neue Techniken. Die Installation eines neuen Restaurants ohne Ortswechsel gelingt innerhalb von zweieinhalb Tagen und die Mannschaft des Restaurants Ikarus im Hangar-7 hat ihre Persönlichkeit gewechselt. Elfmal im Jahr. Da ist man dann 2-Sterne-Koch aus Spanien mit Faible für alles, was das Meer so anspült, Franzose mit Hang zu Zeitgenössischem oder verschreibt sich der avantgardistischen Endemic Cuisine aus der Andenrepublik, während man die Alpen im Blick hat. Dann ist man jemand anderes. In Perfektion und absoluter Akribie. Und dann ist es August geworden. Und endlich dürfen die Jungs ganz sie selbst sein.

Sie, das sind Martin Klein, Jörg Bruch, Tommy Dananic und Dominik Fitz. Der Executive Chef, die beiden Küchenchefs des Restaurants Ikarus und der Chef-Pâtissier. Was in diesem Monat auf die Teller kommt, das ist ihr konzentrierter Charakter. Pur und in aller Deutlichkeit, nur Gerichte, die von allen das 100-prozentige Einverständnis bekommen haben. Statt des monatlich wechselnden kulinarischen Schauspiels stehen nun sie im Rampenlicht – und nicht wie sonst einer der geladenen Gastköche oder eben deren Menü. In diesem Monat sind sie es, die zeigen müssen und vor allem möchten, dass sie nicht nur das perfekte Umsetzen anderer Stile auf dem Kasten haben, sondern dass sie selbst einen haben. Haben müssen. Denn das Klischee besagt anderes. Wer 334 Tage im Jahr die Küche anderer Köche in den Töpfen anrührt, der hat es schwer, sich selbst dabei zu finden. Falsch. Nur wer ganz genau weiß, wer er ist, kann das. Und das bedeutet im Umkehrschluss:…

 Martin Klein und sein Team

Fotos: Shutterstock, Helge Kirchberger / Red Bull Hangar-7, Courtesy of Matthew Lightner / Restaurant Atera

Die Schizophrenie nach Plan beginnt präzise am jeweils Ersten des Monats um 19 Uhr. Neues Konzept, neue Produkte, neue Techniken. Die Installation eines neuen Restaurants ohne Ortswechsel gelingt innerhalb von zweieinhalb Tagen und die Mannschaft des Restaurants Ikarus im Hangar-7 hat ihre Persönlichkeit gewechselt. Elfmal im Jahr. Da ist man dann 2-Sterne-Koch aus Spanien mit Faible für alles, was das Meer so anspült, Franzose mit Hang zu Zeitgenössischem oder verschreibt sich der avantgardistischen Endemic Cuisine aus der Andenrepublik, während man die Alpen im Blick hat. Dann ist man jemand anderes. In Perfektion und absoluter Akribie. Und dann ist es August geworden. Und endlich dürfen die Jungs ganz sie selbst sein.

Sie, das sind Martin Klein, Jörg Bruch, Tommy Dananic und Dominik Fitz. Der Executive Chef, die beiden Küchenchefs des Restaurants Ikarus und der Chef-Pâtissier. Was in diesem Monat auf die Teller kommt, das ist ihr konzentrierter Charakter. Pur und in aller Deutlichkeit, nur Gerichte, die von allen das 100-prozentige Einverständnis bekommen haben. Statt des monatlich wechselnden kulinarischen Schauspiels stehen nun sie im Rampenlicht – und nicht wie sonst einer der geladenen Gastköche oder eben deren Menü. In diesem Monat sind sie es, die zeigen müssen und vor allem möchten, dass sie nicht nur das perfekte Umsetzen anderer Stile auf dem Kasten haben, sondern dass sie selbst einen haben. Haben müssen. Denn das Klischee besagt anderes. Wer 334 Tage im Jahr die Küche anderer Köche in den Töpfen anrührt, der hat es schwer, sich selbst dabei zu finden. Falsch. Nur wer ganz genau weiß, wer er ist, kann das. Und das bedeutet im Umkehrschluss: dass die Jungs nicht alle händchenhaltend rausgehen und Kräuterleins in ihr Körbchen packen oder alles ankokeln, wie in der Nordic Cuisine gerade angesagt ist. Ne, die wissen schon genau, was sie sind, was sie können und wie das auszusehen hat. Diesen Monat mag am Domplatz der Jedermann abgehen, aber in der Wilhelm-Spazier-Straße spielt es eine Küche, die niemand kann – außer Martin Klein und sein Team.

Nussbutter
muss sein. für Hangar-7
Küchenchef Jörg Bruch zumindest. das behauptet Kollege Florian Kempinger …

Zitrone
ist essenziell für Hangar-7 Küchenchef Tommy Dananic.
Ohne die kommt er laut Matthias berger nicht aus.

Sturm Graz,
Zucker und Mehl. Und damit hat man die Top 3 von Chef-Pâtissier Dominik Fitz zusammen. Meint Tommy Dananic.

Wagyu Rind Kreation

 Martin Klein und sein Team

Klingt banal? Wieder falsch. Essenziell ist das nämlich und eine verdammt feine Sache. Da werden nicht einfach ein Stamperl Essig und ein Stamperl Öl nebenangestellt, sondern diese sind fast immer unterschiedlich zubereitet und spielerisch verpackt: als Pulver, als Kugel, als Luft oder als Creme. Öl aus Steinpilz, Thymian, Speck und Lauch oder aus Vanilleschoten, selbst hergestellt in monatelanger Vorbereitung. Was aber wiederum nicht heißt, dass das Menü im Februar schon fix und fertig war. Das stand erst Mitte Juni fest. Doch bereits Monate davor wurde von Martin Klein festgelegt, welche Produkte zu Glanzleistungen im August auflaufen dürfen und welche eben zu denen, die im Sommer Saison haben, harmonieren könnten. Da war etwa der Sepia, den Klein für Alexandre Gauthiers Menü im März gefunden hat. Der war so perfekt, dass der nun als „Sepia-Ei mit Imperial-Kaviar und Sake-Essig und Lauchöl“ serviert wird. Dass der Sepia allerdings in einer hauchzarten Zuckerei-Schale, die mit Sake-Essig bestreut wird, dann beim Zerschlagen sein Inneres aus pochiertem Sepia-Mus, Eigelb und Lauchöl freigibt – das basiert auf einem Fehler. Und zwar in der Telefonleitung. Klein, gerade unterwegs auf seiner Gastkoch-Visite, wollte Folgendes durchgeben: Sepia, Ei, Kaviar, Lauch. Am anderen Ende der Leitung verstand Küchenchef Jörg Bruch: Sepia-Ei. Und entwickelte selbiges. Wie geil.

Dass Essig und Öl zu dem Motto des Monats werden, kam auch erst mit der Zeit. Genauer gesagt zu der der Rhabarberernte. Klein, nicht nur ein klein wenig verschossen in das rosarote Gemüse, ließ ihn in seiner Höchstform einlegen. Und da kam die Idee auf, dass Essig und Öl das verbindende Element des Menüs werden könnten. Was, wie sich herausstellte, eine grandiose war. In zweierlei Hinsicht: Erstens werden in jeder Länderküche Essig und Öl verwendet, was den globalen Konnex schlüssig macht, und des Weiteren – an dieser Stelle nun Hausfrauenpsychologie angewandt: Essig und Öl sind nie Hauptdarsteller, aber ohne sie schmeckt es fad. Im Restaurant Ikarus sind die Gastköche das tragende Element, aber ohne die Crew in der Küche wäre das Konzept nicht umsetzbar. Also: zwei Dinge, die vielleicht nicht unbedingt im Vordergrund agieren, aber ohne die nichts ginge. Passt ja irgendwie. Genauso wie der Rhabarber nun zu Gänseleber und Karamell-Crumble. Nein, eigentlich nicht. Passt nämlich unglaublich gut.

Rote Garnelen

Hangar 7 Phantasia

Eckart Witzigmann

Also war folgende Herangehensweise geboren: Drei Hauptkomponenten und ein Öl und ein Essig. Backbone vorgegeben und mit dem Auftrag an alle, sich dazu ein hübsches und wohlschmeckendes Kostümchen zu überlegen. Doch wie kann man nun das immense Wissen und das Know-how, das mit den Jahren in den Hangar-7 getragen wurde, so umsetzen, dass das ganz oben genannte Klischee nicht erfüllt wird? Also keine eigene Handschrift und so. Eben, indem man etwas auf den Tellern, Löffeln und Schalen platziert und präsentiert, was es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Klar, gewisse Techniken oder Produkte waren schon im Einsatz – wie der Sepia, aber die neue Kombinatorik ist der Schlüssel. Und wenn die schlussendliche Form,Textur, Präsentation und der Geschmack eben nicht nur von Martin Klein als Executive Chef bestimmt werden, sondern auch die anderen Heads ihre Zustimmung geben müssen, bedeutet das, dass die rote Garnele erst nach gezählten zehn Varianten ihre Bestimmung in einer Zucker-Salz-Lake gebeizt gefunden hat. In Kombination mit Knoblauch in drei Varianten, sehr dezent, aber überraschend in Konsistenz und Textur. Doch diese beiden brauchten einen Gegenspieler, am besten einen, der cremige Fülle gibt. Klein und sein Team experimentieren mit Käse von Schaf und Ziege, Kuh fiel von vornhinein flach. Fündig wird man auf Korsika, und kombiniert den Brin d’Amour, der durch seine Weichheit stützt, aber wegen seines Aromas Garnele und Knoblauch die Stirn bieten kann.

Diesen Prozess mal 16 und et voilà, das Menü steht. 16 Gänge und damit eines der größten Menüs des gesamten Jahres im Restaurant Ikarus. Weil zehn Gänge einfach zu wenig wären, um zeigen zu können, was man kann. Und bei dem, was da geboten wird, auch ein Fehler, auf nur eines der Gerichte zu verzichten.
Wie etwa auf die geschmorte Wagyu-Schulter, die mit Karotten und Zwiebeln eine dichte, aber gleichzeitig sommerliche Liaison eingeht, trotz der winterlichen Aromate. Dass dieses Gericht und in Folge auch die restlichen 15 bei hochsommerlichen Temperaturen nicht auf den Magen schlagen, funktioniert dank durchdachtem Abwiege-System. Kein Gang hat mehr als 30 Gramm Protein am Porzellan.

Was jedoch mehr geworden ist, das sind die Handgriffe, die dieses Menü mit sich bringt. Das ist mitunter auch bestimmt eine Egosache, denn wenn man nur einmal im Jahr die Chance hat, seinen eigenen Stil zu zeigen, dann gibt es kein Gericht, das gut ist. Dann muss alles sensationell sein, in sich schlüssig und, ja, auch ein klein wenig angeberisch. Und, was auch nicht zu vergessen ist: Es ist das erste eigene Menü unter der Ägide von Martin Klein als Executive Chef. Es ist also – auch wenn es vom gesamten Team kreiert wurde – seine Verantwortung, seine Handschrift. Und da lässt er es sich nicht nehmen, diesen Monat durchgehend in Salzburg zu verbringen. Keine Dienstreise, kein Gastkochbesuch im August. Volle Konzentration auf 31 Tage, 16 Gänge und 60 Cuverts am Abend. Der Chef’s Table ist in der Zeit fünfmal häufiger gebucht. Handshake inklusive. In den Gastraum zieht es den Elsässer aber dennoch nicht. Weil: Die vierzig Minuten, die er oben verbringen würde, stünde er nicht am Pass. Wer sich dennoch ein Autogramm holen möchte, der könne ja in die Küche kommen. Ist erlaubt und weggeschickt wurde auch im größten Stress noch niemand.

Und bei allem Spaß, sich selbst zu präsentieren, haben die Jungs auch Stress in der Küche aufgrund der Größe und der Komplexität – die man erahnt, aber nicht sehen kann – des Essenz-Menüs. Bewusst sind keine À-la-carte-Preise angeführt, denn die Komposition macht eben in der Reihenfolge des Menüs Sinn. Klar, die Gerichte funktionieren eigenständig auch, machen Spaß, aber erst in der Verkettung der Abfolge erkennt man den Grundgedanken der Ikarus-Crew. Und der schreit ganz laut: Die Essenz des Geschmacks hält sich gerne im Verborgenen auf. Manchmal als Pulver, als Creme oder als Luft. Oder eben in ihrem Fall als Executive Chef, Küchenchef oder Chef-Pâtissier. Und das ist essenziell.

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Next Chef

php0yLJSkSich in einer Stadt, die niemals schläft und sich regelmäßig selbst überholt, konstant oben zu halten, dafür muss man vor allem eines sein: verdammt einzigartig. So wie Matthew Lightner. Pioniergeist trifft Klassik und macht Kunst.
www.hangar-7.com

www.facebook.com/hangar7

Matthew Lightner | Atera/New York

13. September 2014 | 17:25 Uhr | ServusTV | Martin Klein zu Gast bei Matthew Lightner im Restaurant Atera
20. September 2014 | 17:25 Uhr | ServusTV | Matthew Lightner zu Gast im Restaurant Ikarus im Hangar-7

www.hangar-7.com/de/ikarus/spitzenkoeche-im-ikarus

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