Von Biberschwänzen und Heringschmaus: Die kulinarischen Highlights der Rolling Pin.Convention Germany

Biberschwänze, Heringschmaus auf Sterneniveau und die wohl geheimnisvollste Gewürzmischung der Welt: Auf der Chefs.Stage und in den Masterclasses wurden im Rahmen der Rolling Pin.Convention Germany in Berlin alle kulinarischen Geschütze aufgefahren. Und zwar von den ganz großen Größen der Branche.
Dezember 7, 2023 | Text: Lucas Palm | Fotos: Rolling Pin

Es geht gleich ums Essen, versprochen. Aber zuerst Folgendes: Elena Arzak spricht Deutsch. Und zwar fließend. Ja, wirklich. Elena Arzak, die Ikone des legendären Drei-Sterne-Restaurants Arzak in San Sebastiàn, das der baskischen Küche zu Weltruhm verhalf, steht vor uns auf der Bühne und sagt auf Hochdeutsch: „Noch vor zehn Jahren hatte die Gastronomie viele Elemente eines Spektakels, heute ist sie ruhiger geworden, puristischer.“ Dass Frau Arzak so gut deutsch spricht, liegt daran, dass sie als Kind die deutsche Schule in San Sebastiàn besuchte und ihre Ausbildung an der Hotelfachschule in Luzern machte.

Blicke ich heute zurück, bereue ich,  so lange an mir gezweifelt zu haben!
Starkoch Alex Atala über Selbstzweifel, die auch ein Hemmschuh sein können

Doch das erwähnt sie nur kurz. Denn es geht ja eigentlich um etwas anderes. Natürlich. Es geht ums Kochen. Schließlich befinden wir uns mitten auf der imposanten Rolling Pin.Convention Germany in der ­Berliner Arena. Und ganz aktuell hat eben Elena Arzak auf der beeindruckenden und verdammt großen Bühne samt ­Mega-Vidi-Wall im Hintergrund das Sagen.

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Zusammen mit Star-Chocolatier Dominique Persoone (re.) sprach Brasiliens Kochlegende Alex Atala nicht nur darüber, wie man die Lebensmittelproduktion durch Gastronomie gerechter machen kann. Sondern auch über Ängste und Fehler, die die ersten Jahre seines Schaffens begleiteten.

Es geht gleich ums Essen, versprochen. Aber zuerst Folgendes: Elena Arzak spricht Deutsch. Und zwar fließend. Ja, wirklich. Elena Arzak, die Ikone des legendären Drei-Sterne-Restaurants Arzak in San Sebastiàn, das der baskischen Küche zu Weltruhm verhalf, steht vor uns auf der Bühne und sagt auf Hochdeutsch: „Noch vor zehn Jahren hatte die Gastronomie viele Elemente eines Spektakels, heute ist sie ruhiger geworden, puristischer.“ Dass Frau Arzak so gut deutsch spricht, liegt daran, dass sie als Kind die deutsche Schule in San Sebastiàn besuchte und ihre Ausbildung an der Hotelfachschule in Luzern machte.

Blicke ich heute zurück, bereue ich,  so lange an mir gezweifelt zu haben!
Starkoch Alex Atala über Selbstzweifel, die auch ein Hemmschuh sein können

Doch das erwähnt sie nur kurz. Denn es geht ja eigentlich um etwas anderes. Natürlich. Es geht ums Kochen. Schließlich befinden wir uns mitten auf der imposanten Rolling Pin.Convention Germany in der ­Berliner Arena. Und ganz aktuell hat eben Elena Arzak auf der beeindruckenden und verdammt großen Bühne samt ­Mega-Vidi-Wall im Hintergrund das Sagen.

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Zusammen mit Star-Chocolatier Dominique Persoone (re.) sprach Brasiliens Kochlegende Alex Atala nicht nur darüber, wie man die Lebensmittelproduktion durch Gastronomie gerechter machen kann. Sondern auch über Ängste und Fehler, die die ersten Jahre seines Schaffens begleiteten.

Konkret spricht sie über das, was sie im Restaurant Arzak auf die Teller bringt – und warum.  „Als Baskin habe ich eine starke Affinität zum Meer, und natürlich ist es so, dass wir heute mehr denn je acht auf unsere Meere geben müssen“, sagt Arzak im Hinblick auf die Themen Überfischung und Mikroplastik. „Deswegen halten wir uns streng an die Saisonen und versuchen, möglichst viel Geschmack aus jedem einzelnen Fisch und jeder einzelnen Meeresfrucht herauszuholen.“ Wie das Meer in einem der besten Restaurants der Welt schmeckt, zeigt Arzak nun anhand eines genauso simplen wie genialen Austerngerichts. „Natürlich gibt es bei uns Austern nur in den Monaten mit R“, sagt die Baskin augenzwinkernd. Ja, natürlich. Aber warum?

Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen produzieren Austern in ihrer Fortpflanzungszeit zwischen Mai und August eine etwas milchige Flüssigkeit, die Fans jodischer Schlankheit nicht sonderlich schmeckt. Zweitens besagt eine alte französische Tradition – die vom Sonnenkönig Ludwig XIV. im 18. Jahrhundert sogar gesetzlich verabschiedet wurde –, dass Austern in den warmen Monaten ohne R schneller verderben können. Doch zurück zu Arzaks Gericht. Die galizische Auster wird hier in ein Spannungsverhältnis von jodigem Chlorophyll und herzhaftem Fett gesetzt. „Wir haben hier einerseits eine braune Buttersauce, die wir über die Auster geben“, so die Expertin. „Und andererseits arbeiten wir hier mit grünen Aromen, in diesem Fall mit Meerfenchel und einem Biskuit aus der Algenart namens ‚Grüner Leuchter‘.“ Besagtes Biskuit sieht aus wie ein kleiner Schwamm – doch die Konsistenz ist knusprig. „Wir spielen in jedem Gericht mit unterschiedlichen Texturen. Und trotzdem: Das Wichtigste ist auch für uns, dass Essen letztlich einfach schmecken muss. Das dürfen wir nie vergessen!“, so Arzak.

Die spanische Küchenikone, die seit über 40 Jahren die Küche des Familienrestaurants mitprägt, spielt damit auf die eingangs von ihr erwähnten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte an. Ja, die Gastronomie lebt von Kreativität, vom Mut zu Neuem, davon, dass sie sich wie kaum eine andere Branche immer neu hinterfragt, immer neu erfindet. Doch ist das in Vergangenheit nicht auch manchmal zu Lasten des Geschmacks gegangen?

Kreativität oder Genuss?

Eine schwierige Frage, auf die nur erfahrene Menschen vom Fach eine differenzierte Antwort finden können. Und genau hier kommt Tim Mälzer ins Spiel, der jetzt in seinem Talk im krachvollen Zuschauersaal über die Bedeutung von Trends spricht – und darüber, warum sich die Gastro­nomie neu erfinden muss. Natürlich, das Verhältnis zwischen Geschmack und Kreativität, zwischen Genuss und Neuerfindung, wurde mit der Molekularküche auf die Spitze getrieben.

Darauf hat vorhin auch Elena Arzak angespielt. Schließlich fand die gesamte Magie der Molekularküche in den frühen 2000er-Jahren in Spanien ihren Höhepunkt – und zwar im legendären elBulli von Ferran Adrià. Die Hochphase der Molekularküche ist ohne Zweifel vorbei, die Nordic Cuisine hat sie als gastronomisches Erfolgsmodell zu Beginn der 2010er-Jahre erfolgreich verdrängt. Und – so sehr der molekulare Hokuspokus heute von jüngeren Küchenchefs auch belächelt wird – er hat die Art, wie wir heute essen und wie heute gekocht wird, maßgeblich geprägt.

„Ich hatte selbst das Glück, drei Mal im elBulli essen gewesen zu sein“, erinnert sich also Tim Mälzer. „Die Kreativität wurde dort bis zum Exzess betrieben. Ich wage sogar zu behaupten: Es hatte nichts mehr wirklich mit Genuss zu tun. Absolut nichts. Das war alles technischer Firlefanz. Aber, und da gibt es ein großes Aber: Das war nicht einfach Selbstzweck, sondern alles visionär gedacht. Heute benutzen wir alle Techniken der Molekularküche, und zwar mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit! Aber nicht, weil das, was Ferran Adrià gemacht hat, blind kopiert wurde. Sondern weil Köche verstanden hatten, was für sie an der Molekularküche Sinn ergibt, in geschmacklicher Hinsicht genauso wie in textureller Hinsicht.“

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Von Biberschwanz bis Biberspeck: Max Stiegl beweist auf der Chefs.Stage einmal mehr, wie vielfältig nachhaltiger Fleischgenuss sein kann.

Was aber sagt wohl Ferran Adrià selbst dazu? Nun, das werden wir bald wissen. Denn auch der spanische Großmeister wird demnächst hier auf der Mainstage stehen – und in einem der ersten ausführlichen Talks seit Jahren über die Geheimnisse seines prägenden Schaffens sprechen. Doch zuerst spazieren wir zur Masterclass-Stage. Denn dort gibt es gleich die heiß erwartete Cooking Demonstration des Geschmacks-Trendsetters in unseren Breiten schlechthin.

Jetzt aber Butter bei die Fisch!

Die Rede ist natürlich von Heiko Antoniewicz. Als einer der wichtigsten Impulsgeber der Spitzengastronomie, der in der Branche auch auf den Namen „Mr. Taste“ hört, hat sich Antoniewicz nicht nur mit zukunftsweisenden Kochtechniken einen beneidenswerten Expertenstatus erworben, sondern auch durch sein Gespür für vermeintlich unspektakuläre Produkte. Und auch dieses Mal geht es um ein Produkt, das, wie Antoniewicz sagt, „wenig spektakulär und etwas in die Jahre gekommen“ wirkt. Aber eigentlich nicht ist. Die Rede ist vom Hering. „Mir geht es darum, dem Hering ein neues Zuhause zu geben. Denn es handelt sich dabei eigentlich um einen wunderbaren Fisch, der seinen Platz in normalen Gasthäusern, aber durchaus auch in der Sternegastronomie haben könnte.“

Wie und warum genau, zeigt Antoniewicz anhand von vier Gerichten, die den Matjes-Fisch tatsächlich in ein neues, überaus erfrischendes Licht rücken. „Wir interpretieren jetzt den eingelegten Hering neu“, sagt er und zeigt ein klassisch wirkendes Filet, das er in ein kleines Schälchen legt. „Wir flämmen ihn kurz, weil die Röstaromen total gut zu ihm passen, vor allem, weil wir jetzt Butter dazu geben.“ Die Buttersauce, von der die Rede ist, hat eine braune Farbe – und natürlich, sie ist herzhaft fett. Doch da ist etwas anderes, das fast noch treffsicherer mit den Röstaromen harmoniert: Ahornsirup. „Mehr ist nicht drin in dieser Sauce, nicht einmal Salz“, sagt Antoniewicz und scheint selbst von seiner Kreation hin und weg zu sein. Als Kontrast fungiert nun ein ausgeklügeltes Topping, das mit Schärfe und Säure spielt: Grüner Apfel, in kleine Würfel geschnitten, Limettenabrieb, Zwiebel, Koriander – und Petersilienöl.

Das Ergebnis: Ein schlanker Hering, der trotz – oder wegen? – der süßfettigen Buttersauce und dem scharfsauren Topping seine Aromen ausspielt, nur ganz anders, als man es in unseren Breiten gewohnt ist: Da ist kein Gramm zu viel Salz, und von den oft muffigen Aromen von Supermarkt-Hering sind wir hier zum Glück weit, weit entfernt. Oder wie ein Teilnehmer dieser Masterclass nach dem Verkosten dieses Gangs sagt: „So geht Sterne-Hering!“

Vertraute, oder sagen wir es ruhig: verstaubte Produkte zu neuem Glanz zu verhelfen, dafür sind engagierte Köche da. Damit verleihen sie dieser kreativen Branche, die ständig in Bewegung ist, ihre DNA. Das gilt auch für jene Köche, die mit neuen, exotischen, unüblichen, kontroversen oder auch spektakulären Produkten arbeiten. Wie zum Beispiel Max Stiegl, der gerade mit einer weißen Plastikbox in Richtung Mainstage spaziert …

Fleisch mit Biss

Max Stiegl betritt sie mit einem schelmischen Grinser. Und wer Max Stiegl kennt, weiß: Da ist irgendwas im Busch. Denn der Vier-Hauben-Koch  aus dem burgenländischen Purbach liebt es, am besten uns alle gleichzeitig vor den Kopf zu stoßen. Im besten Sinne, versteht sich. Seine regionalverankerte, selbstsichere und dabei genauso virtuose Nose-to-Tail-Küche zelebriert das gesamte Tier als Edelteil. Und zeigt uns immer wieder auf: Nachhaltiger Fleischkonsum ist möglich, wenn man ein Tier nicht auf sein Filet reduziert. Wobei: Mit dem Tier fängt es ja schon an. Muss es immer Rind sein? Oder Schwein?

Wir wollen dem Hering ein neues zuhause geben. Er sollte seinen Platz auch in der Sternegastronomie bekommen!
Mr. Taste Heiko Antoniewicz in seiner Masterclass über einen unterschätzten Fisch

Für Max Stiegl lautet die Antwort natürlich: nein. Und genau das ist auch der Grund für seinen schelmischen Grinser. Denn Meister Max serviert heute etwas ziemlich Besonderes – Biber. Wobei wir hier keinen falschen Eindruck erwecken wollen. Max Stiegl nimmt das Thema ziemlich ernst. „Biber gibt es in Österreich, vor allem bei uns rund um den Neusiedlersee, wie Sand am Meer“, so Stiegl über das Tier, das in Österreich zwar unter Tierschutz steht, aber dennoch in einzelnen Fällen geschossen werden darf. Der Skandal dabei: „Wurde ein Biber erschossen, muss er – Stand heute – entsorgt werden. ­Warum eigentlich?

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Der einflussreichste Koch des 21. Jahrhunderts Ferran Adrià spricht vor vollem Haus über die revolutionären Techniken und Gerichte in seinem legendären elBulli – und darüber, warum er auf die nächste Revolution wartet.

Man ­könnte ihn doch gleich verwerten. Immerhin wiegt ein Biber zwischen 45 und 55 Kilogramm. Pute und Schweine aus Massentierhaltung essen wir gerne – und beim Biber, von dem wir wissen, wo er herkommt und der sich natürlich ernährt, graust uns?“ Wie schmackhaft Biberfleisch in Wahrheit ist, zeigt Stiegl beispielsweise anhand von Biberspeck oder frittiertem Biberschwanz. „Sein Geschmack erinnert an Wildschwein und Wildente“, erklärt Stiegl, der als gestandener Innereienkoch in seinem Restaurant auch Biberherz und -leber serviert. Hört und sieht man Max Stiegl zu, wie er mit all seinem Know-how und verwurzeltem Engagement unserem Fleischkonsum neue Facetten eröffnet, versteht man auch, was Anthony Bourdain vor vielen Jahren meinte, als er in seiner Show „No Reservations“ über Max Stiegl sagte: „This man is good for society.“ Ein Satz, der auch für die beiden nächsten Speaker gilt.

Zwei Haudegen als Weltretter

Alex Atala und Dominique Persoone wollten diesen Talk unbedingt gemeinsam machen. Und das, obwohl sie mehrere Tausend Kilometer voneinander entfernt kochen. Oder eben gerade deswegen. Denn die beiden Leuchttürme der internationalen Spitzenkulinarik kennen sich seit Jugendtagen – und haben vieles gemeinsam. „Vielleicht fragt ihr euch“, sagt Persoone, „was zwei alte Säcke wie wir hier auf der Bühne machen. Nun ja, wir sind hier, um euch zu zeigen, wie sehr man die Welt durch Gastronomie und Kulinarik besser machen kann!“

Schließlich hat man nicht alle Tage zwei internationale Koryphäen vor sich: Persoone gilt seit 30 Jahren als eine der wohl exzentrischsten Chocolatiers weltweit. Sein Schokoladengeschäft „The Chocolate Line“ eröffnete er Anfang der 1990er in Brügge – und wurde durch seine ungewöhnlichen Kreationen international berühmt. Heute führt er außerdem eine Kakaoplantage in Mexiko und eine Schokoladenmanufaktur im Kongo. Dort haben Fair Trade, Entwicklungsarbeit und Nachhaltigkeit oberste Priorität.

Womit wir bei Alex Atala wären: Denn auch der brasilianische Nationalheld begreift Kulinarik als wichtigen Hebel, um die Welt besser zu machen. Nicht nur holt er in seinem D.O.M.-Restaurant in São Paulo rare Produkte aus dem Amazonas vor den Vorhang, er stärkt auch die Rechte indigener Lebensmittelproduzenten, wodurch er in Brasilien den Status eines Nationalhelden genießt. „Blicke ich heute zurück, bereue ich, so lange an mir gezweifelt zu haben“, verrät Atala. „Ich habe an mir gezweifelt, weil ich Brasilianer war und dachte, aus mir kann nie ein guter Koch werden, weil es damals nur Europäer unter den Spitzenköchen gab.“

In diesem Moment faltet Alex Atala die Hände, blickt in den vollen Zuschauersaal und sagt: „Ich flehe euch an: Zweifelt nicht an euch, wer und wie auch immer ihr seid! Es kommt auf eure Träume an, es kommt auf euer Tun an – und nicht darauf, wer ihr seid. Die Welt braucht keinen neuen Alex Atala, keinen neuen Paul Bocuse, keinen neuen Ferran Adrià, keinen neuen Dominique Persoone. Die Welt braucht neue authentische Individuen, die mit ihrer Leidenschaft die Welt besser machen wollen. Wir sind der Beweis, dass das möglich ist!“

Dass die nächste Generation authentischer Individuen, die wirklich Neues wagen, schon in den Startlöchern scharrt, das beweist auf dieser Bühne kurze Zeit später eine junge Frau. Und zwar, indem sie uns die Küche eines Landes näher bringt, das heute noch nicht wirklich mit Sternegastronomie in Verbindung gebracht wird. Ein bisschen wie Brasilien damals, Ende der 1990er, als Alex Atala sein D.O.M. eröffnete.

Gewürze als Erfolgsrezept

Myriam Ettahri ist die wohl kreativste Küchenchefin Marokkos. Nach einem Wirtschaftsstudium an einer kanadischen Eliteuni wusste die Marokkanerin aber bald: Die Welt steriler Businessmeetings ist nichts für sie. Sie will kochen. Und zwar richtig. Also lernte sie ihr Handwerk in einer der wohl legendärsten Schulen der Welt. Jener Schule, in der Ikonen wie Julia Child, Jamie Oliver oder auch Yotam Ottolenghi zu Meistern ihres Fachs wurden: Dem Cordon Bleu in Paris. Hier steht sie also, die sympathische Marokkanerin – und weiht uns in Form eines dichten Crashkurses in das Geheimnis der marokkanischen Küche ein.

„Die DNA der Geschmäcker meiner Heimat sind die Gewürze, und genau hier fängt schon das erste Missverständnis an“, sagt Ettahri. „Denn die wenigsten wissen, dass wir in Marokko – mit der Ausnahme von Safran – eigentlich gar keine Gewürze anbauen oder produzieren. Sondern wir importieren sie lediglich, und zwar durch jahrhundertealte Handelswege aus dem Nahen Osten und Asien.“ Fünf Gewürze machen die marokkanische Küche aus. „Ohne die“, sagt Ettahri, „braucht niemand zu versuchen, auch nur ein einziges Gericht aus Marroko nachzukochen“.

Diese sind: Zimt, Ingwer, Paprika, Kümmel und Kurkuma. „Ein weiteres Merkmal unserer Küche ist das Zugeben von süßen Trockenfrüchten in pikanten Gerichten. Diese Trockenfruchtkultur ist aus Persien nach Marokko gekommen, und auch sie zeigt: Unsere Küche ist weltoffen. Doch sie entwickelt sich durch die Traditionen im Land selbst eigenständig weiter. Das ist die Stärke der marokkanischen Küche!“ Als Abschluss reicht Ettahri eine Kostprobe ihrer eigenen Ras-el-Hanout-Gewürzmischung durchs Publikum, die aus sage und schreibe 27 Einzelgewürzen besteht. „Die Kunst besteht darin, dass kein einziges Gewürz den Geschmack dominiert. Oder schmeckt ihr ein ganz bestimmtes raus?“ Eindeutige Antwort: Nein! Chapeau!

Man merkt: Eine gewisse Spannung liegt in der Luft. Ganz gleich, wohin man in diesen Minuten blickt: Von der ­Expo-Area über die Masterclass-Stage bis hin zum großen Metro-Stand und der HR-Stage – alle wissen, bald ist es soweit: Ferran Adrià, der einflussreichste Koch des 21. Jahrhunderts, betritt die Bühne.

Kein Wunder also, dass, kurz bevor er diese betritt, der Zuschauersaal aus allen Nähten platzt. Und kein Wunder auch, dass er, kaum hat er sie betreten, minutenlang warten muss, bis die Standing Ovations und der Applaus aufhören. Diese dauern auch deswegen so lange, weil Adrià als erstes den Preis „Inspiration Chef of the Century“ in die Hände gedrückt bekommt – und diesen gleich zum Anlass nimmt, sich direkt ans Publikum zu wenden. „Joan Roca, Massimo Bottura, José Andrés – dieser Preis ist auch für sie und die anderen rund 2.000 Köche, die das elBulli groß gemacht haben“, sagt Adrià jetzt mit kräftiger Stimme. „Ich sehe, es sind viele junge Menschen da. Deswegen würde ich gerne in einem einzigen Satz sagen, was das elBulli geleistet hat“, so Adrià weiter. „Es hat den Köchen die Freiheit gegeben, das zu tun, worauf sie Lust hatten. Und das soll auch weiterhin so bleiben.“ An dieser Stelle muss Adrià erneut minutenlang innehalten, um Applaus entgegenzunehmen.

Natürlich, denn vielen im Raum wird klar, was auch Adrià selbst weiß: Seit dem elBulli, das der Welt der Gastronomie eine heute so selbstverständliche Kreativität einflößte, hat es eigentlich keine wirkliche Revolution mehr gegeben. Ja, Ferran Adrià gibt es auch unumwunden zu: „Ich warte seit 20 Jahren auf die nächste Revolution, aber sie kommt nicht!“ Vielleicht ist das auch der Grund, warum Adrià jeden einzelnen Stand auf der Convention genauestens unter die Lupe nimmt. Und warum er jede Sekunde hier in Berlin im wahrsten Sinne des Wortes auskostet. Später, sagt er, geht es noch zu Tim Raue ins Restaurant. Und dann noch zu Marco Müller ins Rutz. Ob er die Revolution dort findet oder nicht – eines steht fest: Die kreative Freiheit, von der er gerade sprach – sie wird ihm auch dort begegnen. Als vertrauten Geschmack, den er selbst in die Welt gesetzt hat.

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Chefs.Stage 2023
Wie erschafft man wirklich Neues? Wie bleibt man sich selbst treu, ohne Allerweltsteller zu kreieren, die lediglich Social-Media-konform sind? Und wie verarbeitet man auch Rückschläge auf kulinarisch kreative Art und Weise? Auf all diese Fragen und noch viele mehr gab die internationale Kochelite auf der Chefs.Stage innovative Antworten – in Form von Talks, aber auch von inspirierenden Cooking Demonstrations: Ferran Adrià, Elena Arzak, Alex Atala, Tim Raue, Dominique Persoone, Alexander Herrmann, Tobias Bätz, Tim Mälzer, Max Stiegl, The Duc Ngo, Marco Müller – sie alle zeigten, welche Kraft in der Gastronomie steckt.

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