Legenden: Nadia Santini

Als erste Frau, die im wahrlich kulinarikverrückten Italien die begehrten drei Michelin-Sterne holte, schreibt Nadia Santini seit fast drei Jahrzehnten Gourmetgeschichte. Wie die gebürtige Italienerin ganz ohne Ausbildung zur offiziell besten Köchin der Welt wurde – und was ihre Hochzeitsreise damit zu tun hat.
Februar 3, 2022 | Text: Lucas Palm | Fotos: Dal Pascatore, beigestellt

Der Schein der Fakten trügt: Eigentlich, ja, eigentlich sollte man Nadia Santini als Grande Dame der italienischen Spitzengastronomie bezeichnen. Schließlich ist die heute 69-Jährige die erste Köchin Italiens, die vom Guide Michelin mit drei Macarons ausgezeichnet wurde. Seit 1996 hält die gebürtige Norditalienerin die Höchstwertung der scharlachroten Küchenbibel. 26 Jahre, damit gehört Santini auch international zu einem ganz kleinen, erlauchten Kreis an Drei-Sterne-Kapazundern, die ihre Auszeichnung über einen so langen Zeitraum hinweg verteidigen konnten.

Nadia Santini

Der Schein der Fakten trügt: Eigentlich, ja, eigentlich sollte man Nadia Santini als Grande Dame der italienischen Spitzengastronomie bezeichnen. Schließlich ist die heute 69-Jährige die erste Köchin Italiens, die vom Guide Michelin mit drei Macarons ausgezeichnet wurde. Seit 1996 hält die gebürtige Norditalienerin die Höchstwertung der scharlachroten Küchenbibel. 26 Jahre, damit gehört Santini auch international zu einem ganz kleinen, erlauchten Kreis an Drei-Sterne-Kapazundern, die ihre Auszeichnung über einen so langen Zeitraum hinweg verteidigen konnten.

Nadia Santini

Zur Erinnerung: In Deutschland hält den Rekord mit 25 Jahren weiterhin die Schwarzwaldstube unter dem 2017 abgetretenen Harald Wohlfahrt. Jedenfalls: Grande Dame, das klingt so nach altehrwürdiger Pensionistin, die ihren Ruhm mehr noch als ihren Ruhestand genießt. Und demonstrativ über den Dingen schwebt. Nichts davon trifft auf Nadia Santini zu.

Tradition aus Fleisch und Blut

Bis heute steht die für ihre Bodenständigkeit bekannte Vollblutköchin nahezu täglich hinter dem Herd ihres legendären Restaurants Dal Pescatore. Im lombardischen Canneto sull’Oglio gelegen, etwas südlich vom malerischen Mantua, halten sich ihre rustikal-italienischen Gerichte mit dem gewissen Twist à la française teilweise seit Jahrzehnten. Allen voran ihre Kürbistortelli. Wer sich die – ohne Zweifel geniale – Schlichtheit dieses Rezepts zu Gemüte führt, bekommt den Hauch eines Gefühls dafür, wie kompromisslos Santinis Verbundenheit mit der (nord-)italienischen Kulinarik ist. Gerade in Zeiten obsessiver Innovationslust beruft sich die Spitzenköchin gerne auf das Bonmot des italienischen Soziologen Constantino Cipolla: „Tradition“,sagte der einst, „ist alles, was Wert ist, von einer Generation an die nächste vermacht zu werden“.

Ein Grundsatz, der im Hause Santini durchaus wörtlich genommen wird: Nadias Söhne Giovanni und Alberto sind bereits seit Jahren federführend im ehrwürdigen Hause tätig. Giovanni als gleichgestellter Küchenchef, Alberto als Sommelier. Außerdem scharrt mit Lorenzo – Giovannis Sohn – bereits die fünfte Generation in den Startlöchern. Wie aber hat das alles angefangen? Und wie wurde Nadia Santini zu dem, was sie heute ist?

Eine Hochzeitsreise als Damaskuserlebnis

Geboren im beschaulichen Industriestädtchen Vincenza, lernte Santini als Studentin der Politikwissenschaft ihren zukünftigen Mann in Mailand kennen. Antonio kam aus einer alteingesessenen Gastronomenfamilie im lombardischen Hinterland. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahr 1925, hatte sein Großvater dort ein Lokal eröffnet, das sein Sohn – Giovannis Vater – mit seiner Frau schließlich zu einem Restaurant umgestaltete. Während der Flitterwochen in Frankreich kehrten die frischvermählten Santinis in einigen der damals besten Restaurants der Welt ein. „Das war wie eine Offenbarung“, erinnerte sich Santini gegenüber Relais&Chateaux einmal. „Wir entdeckten dort die Kunst des schönen Lebens und die Spitzengastronomie.“

Danach stand fest: Die Santinis widmen ihr Leben der Gastronomie. Ihr gesamtes Küchenkönnen lernte Nadia von Antonios Mutter. Als Autodidaktin perfektionierte sie ihr Handwerk unablässig – und wurde so über die Jahre zu einer der Besten ihrer Zunft. Bis heute gilt Santini unter Köchinnen und Gastronominnenals strahlender Leuchttum im testosterongeschwängerten Weltmeer der Spitzengastronomie. Die große Anne-Sophie Pic beispielsweise bezeichnet sie als eine der größten Inspirationen. Und ist damit sicher nicht die letzte, die zu Nadia Santini aufblickt.

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NADIA SANTINI
Geboren 1953 in Vincenza, lernte Nadia Santini als Studentin in Mailand ihren späteren Ehemann Antonio kennen. 1974 heiratete sie den Spross einer alteingesessenen Gastronomenfamilie – und erlebte in den Flitterwochen in Frankreich eine Reihe kulinarischer Offenbarungen. Für beide stand von da an fest: Sie übernehmen das elterliche Restaurant. Antonio arbeitete im Service, während Nadia von ihrer Schwiegermutter das Küchenhandwerk erlernte. Über die Jahre wurde sie zu einer der besten Köchinnen des Landes. Seit 1996 strahlen über ihrem Dal Pescatore drei Michelin-Sterne. 2013 wurde sie zur „World’s Best Female Chef“ gekürt.

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