Schluss mit Korken? Warum Wein-Experten ihm noch eine Chance geben wollen

Schlechte Korkernten und die Angst vor Weinfehlern setzen dem Naturkorken zu. Also weichen Winzer immer öfter auf Schraub- oder Glasverschlüsse aus. Steht der klassische Korken gar vor dem Aus? Neue Technologien sollen ihn nun doch noch retten.
April 6, 2023 | Text: Johannes Stühlinger | Fotos: Shutterstock, Miss Cho, SENNS.Restaurant

Der Baum ist ein wahrer Hingucker. 14 Meter ragt er knorrig gen Himmel und der Durchmesser seines Stammes beträgt satte 4,15 Meter. Weil seit jeher zahlreiche Singvögel in seinen verzweigten Ästen Konzerte in Dauerschleife geben, sagen die Menschen in Águas de Moura im Süden Portugals zu dem Methusalem „Pfeifender Baum“. Doch die Liebe zu ihm liegt vielmehr in seiner Rinde begründet: „Pfeifender Baum“ ist die älteste und produktivste Korkeiche der Welt. Seit dem Jahr 1820 wurde sie mehr als 20 Mal abgeerntet. Die Ernte im Jahr 1991 ergab 1.200 Kilogramm Kork. Das ist mehr, als die meisten Korkeichen während ihrer ganzen Lebensspanne von in der Regel maximal 200 Jahren erzeugen. Diese einzelne Ernte brachte über 100.000 Korken hervor.

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Immer mehr Winzer setzen auf Dreh- oder Glasverschlüsse. Droht dem klassischen Korken gar die Verbannung in die Belanglosigkeit?

Korkmangel als Teil des Problems

DIE QUAL DER WAHL

Der Engpass von Naturkork und die Tatsache, dass mit ihm verschlossene Weine zu oft korkten, haben den ältesten aller Weinverschlüsse in Bedrängnis gebracht. Vor allem Dreh- und Glasverschlüsse laufen  dem klassischen Korken seit gut 20 Jahren den Rang ab – immer mehr Winzer verschließen selbst hochwertige Weine mit solchen Alternativen. Allerdings gibt es gerade bei Glaskorken noch wenig Erfahrungswerte, was die langjährige Lagerfähigkeit betrifft. Unter anderem deshalb sollen moderne technische Möglichkeiten dem Naturkorken wieder Aufwind geben.

 

Der Baum ist ein wahrer Hingucker. 14 Meter ragt er knorrig gen Himmel und der Durchmesser seines Stammes beträgt satte 4,15 Meter. Weil seit jeher zahlreiche Singvögel in seinen verzweigten Ästen Konzerte in Dauerschleife geben, sagen die Menschen in Águas de Moura im Süden Portugals zu dem Methusalem „Pfeifender Baum“. Doch die Liebe zu ihm liegt vielmehr in seiner Rinde begründet: „Pfeifender Baum“ ist die älteste und produktivste Korkeiche der Welt. Seit dem Jahr 1820 wurde sie mehr als 20 Mal abgeerntet. Die Ernte im Jahr 1991 ergab 1.200 Kilogramm Kork. Das ist mehr, als die meisten Korkeichen während ihrer ganzen Lebensspanne von in der Regel maximal 200 Jahren erzeugen. Diese einzelne Ernte brachte über 100.000 Korken hervor.

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Immer mehr Winzer setzen auf Dreh- oder Glasverschlüsse. Droht dem klassischen Korken gar die Verbannung in die Belanglosigkeit?

Korkmangel als Teil des Problems

DIE QUAL DER WAHL

Der Engpass von Naturkork und die Tatsache, dass mit ihm verschlossene Weine zu oft korkten, haben den ältesten aller Weinverschlüsse in Bedrängnis gebracht. Vor allem Dreh- und Glasverschlüsse laufen dem klassischen Korken seit gut 20 Jahren den Rang ab – immer mehr Winzer verschließen selbst hochwertige Weine mit solchen Alternativen. Allerdings gibt es gerade bei Glaskorken noch wenig Erfahrungswerte, was die langjährige Lagerfähigkeit betrifft. Unter anderem deshalb sollen moderne technische Möglichkeiten dem Naturkorken wieder Aufwind geben.

 

Diese Geschichte erzählt in Wahrheit von dem großen Wert, den Korken hat. Seit jeher werden Weine mit diesem besonderen Naturprodukt verschlossen. „Bis heute gibt es kein adäquates Ersatzprodukt, um Weinflaschen zu verschließen“, ist sich Weinexpertin Sabrina Zeiml vom Nobel-Japaner Miss Cho in Graz sicher. Und spricht damit für ziemlich alle Sommeliers, die nicht nur ganz junge Weine kredenzen wollen. Denn in der Fachwelt ist man sich einig: Mit Naturkork verschlossene Weine reifen wesentlich besser und vor allem natürlicher als Weine, die mit anderen Hilfsmitteln luftdicht verschlossen wurden. Warum aber werden die klassischen Korken dann ständig in Frage gestellt?

„Viele sind auf andere Verschlüsse umgestiegen.“

Viktoria Kniely ist im besternten Berliner „Tante Fichte Speiselokal“ als Restaurantleiterin und Sommelière für die wohlsortierte Weinkarte verantwortlich. Sie hat einen besonders differenzierten Zugang zu dem Thema und spricht von zwei Hauptgründen, die dem klassischen Korken zusetzen: Einerseits würde durch schlechte Kork­ernten immer wieder Korkmangel herrschen, der den Preis der kleinen Stoppeln plötzlich in die Höhe treibt. Das macht die Sache schwer kalkulierbar. Andererseits ist vielen Winzern das Risiko bei Naturkorken einfach zu hoch. Schließlich können alle Weinliebhaber ein Lied vom bitteren Beigeschmack singen, den Naturkork auslösen kann – der Wein „korkt“, heißt es dann. Damit ist die ganze Flasche ungenießbar und in Wahrheit wertlos.

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Weinexpertin Sabrina Zeiml mag Naturkorken vor allem auch deshalb, weil sie besonders nachhaltig sind

Bis heute gibt es kein adäquates Ersatzprodukt, um Weinflaschen zu verschließen.
Sabrina Zeiml aus dem Miss Cho schwört auf Kork

Es heißt, dass zwischen fünf und acht Prozent aller mit Naturkork verschlossenen Flaschen am Ende nicht trinkbar sind. Das ist für einen Weinbauern, der ein hochwertiges Produkt verkauft, schlichtweg zu viel. Zumal Winzer oftmals gezwungen sind, korkende Weinflaschen anstandslos auszutauschen, um gegen den Mitbewerb bestehen zu können. „Das Resultat ist“, so Kniely, „dass viele auf Schraubverschlüsse oder auch Glaskorken umgestiegen sind. Teilweise auch für Lagenweine.“ Ein verständlicher Schritt, der Vor- und Nachteile hat. So würden die Weine zwar – sofern sie ohne Fehler in der Flasche landen – in bester Qualität ins Glas kommen, allerdings würden sie ihrer Erfahrung nach dann schon regelrecht nach Sauerstoff lechzen. „Ich merke dann immer wieder, dass sich Weine, die mit Glas oder Schrauber verschlossen waren, binnen weniger Minuten sehr stark verändern.“ Das ist dann meist schade, weil es bedeutet, dass sich diese Weine in der Flasche unter Korkeinsatz wohl interessant weiterentwickelt hätten.

Woher kommt der Korkgeschmack?

Ähnlich sieht das Florian Roßegger, seit Februar Head Sommelier des Zweisternehauses SENNS.Restaurant in Salzburg. „Deshalb haben sich in den Weinhochburgen Burgund und Bordeaux bis heute weder Schrauber noch andere Alternativen durchgesetzt“, sagt er. Gleichzeitig gibt Roßegger jedoch zu bedenken, dass Kork eben nicht gleich Kork sei. So würde es unter den am Markt befind­lichen Korken massive Unterschiede in Qualität und natürlich auch Preis geben. „Ein hochwertigerer Korken wird in der Regel weniger häufig zu Korkgeschmack im Wein führen“, ist er sich sicher.

Außerdem sind inzwischen Korken auf dem Markt erhältlich, die vor ihrer Auslieferung dahingehend überprüft werden, ob sie dem Wein überhaupt schaden können. Schließlich ist für den bösen Korkton im guten Wein keineswegs der Wein selbst oder ein undichter Korken verantwortlich, sondern zumeist der Stoff 2,4,6-Trichloranisol – meist als TCA abgekürzt. Das große Problem bei diesem Stoff: Seine Herkunft lässt sich fast nie eruieren.

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Florian Roßegger schwört auf Korken, die zuvor auf Phenolderivate überprüft wurden

Wir wollen den guten Ruf des Naturkorkens wieder herstellen!
Korkguru Jochen Michalski ist auf großer Mission

Jochen Michalski jedoch ist seit 40 Jahren dem geschäftsschädigenden TCA auf der Spur. Das von ihm gegründete Unternehmen Cork Supply zählt zu den weltweit führenden Herstellern von Naturkork. Er sagt: „Jeder einzelne Herstellungsschritt, vom Korkbaum über den Transport in die Fabrik bis hin zur Produktion, wird von uns durchleuchtet. Unser Ziel ist es, TCA zu beseitigen und den bis dahin guten Ruf des Naturkorkens wieder herzustellen.“

Heute wandern so gut wie keine kontaminierten Korken mehr über seinen Ladentisch: „Mithilfe von Gaschromatografie lassen sich sämtliche chemischen Bestandteile eines Korkens analysieren. Das ermöglicht uns, auch nur winzige Vorkommnisse von TCA aufzudecken und kontaminierte Korken auszusortieren. Wasserdampfdestillation ist ein weiteres Hilfsmittel, mit dem verunreinigte Korken von TCA befreit werden können“, erläutert Michalski weiter.

Aber ist das wirklich die Rettung für den Korkverschluss? Roßegger und Kniely sind sich zumindest darin einig, dass diese technische Entwicklung den Winzern jedenfalls Sicherheit gibt. Allerdings sind derart aufwendig geprüfte Korken auch um ein Hauseck teurer. „Das führt wohl dazu, dass eher Lagenweine damit verschlossen werden“, sagt Roßegger. Und Kniely ergänzt: „Vor allem für Großflaschen ist das sinnvoll, da diese ohnehin nur mit Kork verschlossen werden können.“ Und wenn, dann also bitte mit einem möglichst hochwertigen.

Einen weiteren überraschenden Aspekt ortet wiederum Sabrina Zeiml: Korken seien in ihrer Produktion umweltfreundlicher, sagt sie. In der Tat können Korken, sofern in der Produktion auch darauf geachtet wird, gar einen negativen CO2-Fußabdruck hinterlassen. Weil Kork­eichen wie der berühmte „Pfeifende Baum“ dank Photosynthese so viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre ziehen, dass damit die durch die Produktion einer Glasflasche verursachten Emissionen kompensiert werden – das haben Experten nachgerechnet. Fazit: Hochwertige Weine können inzwischen mittels teurer, aber sicherer Korken nahezu bedenkenlos verschlossen werden. Weine, die schnell getrunken werden sollen oder im unteren Preissegment angesiedelt sind, werden wohl in Zukunft vorwiegend mit Dreh- oder Glasverschlüssen versehen werden. Das besondere Erlebnis, wenn am Tisch eine Flasche vom Kork befreit wird, ist also keineswegs in Gefahr. Es wird allerdings noch hochwertiger werden.

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